Queerfeministischer PorYes-Award: Bitte mehr Pornokompetenz!

Sexuelle Bildung in Schulen beschränkt sich oft auf biologische Aspekte. Antworten suchen Jugendliche im Netz und stoßen auf billige Pornos.

Viele Penisse und eine Vulva: Graffiti in einer Jungenumkleide einer Schulturnhalle

Graffiti in einer Jungenumkleide einer Schulturnhalle Foto: Eckhard Stengel / Imago

BERLIN taz | Wer sich im Internet nach Pornos umsieht, landet schnell auf Seiten wie Youporn oder PornHub. Allein letztere wird laut eigenen Angaben rund 200.000 Mal pro Minute aufgerufen. Der Standard auf diesen Seiten ist immer noch: Männer werden auf Dauerständern reduziert, Frauen sind willenlos – und die Beleuchtung ist schlecht.

Auch Jugendliche, die sich im Internet bewegen, kommen früh mit diesen Pornofilmen in Kontakt: Im Durchschnitt mit 14 Jahren. Gerade deswegen sollte der Umgang mit Pornos Teil des Sexualkundeunterrichts sein, findet Sina Pollmann. Die Psychologiestudentin* arbeitet beim Projekt Mit Sicherheit verliebt mit Schüler*innen. Dazu redet sie mit ihnen über Sexualität. Zwar sieht das Berliner Schulgesetz vor, dass Schüler*innen über „biologische und gesellschaftliche Zusammenhänge“ von Sexualität aufgeklärt werden müssen. Der Umgang mit Pornografie ist darin aber nicht verankert.

Pollmann wolle Pornos nicht verteufeln, sondern zeigen, dass sie nicht die Realität abbilden. Zum Beispiel mit einer einfachen Übung: „Wir bitten die Schüler*innen eine Sexszene zu zeichnen. Dann fragen wir: Was müssen wir dazu malen, damit es zu einem Porno wird?“, berichtet Pollmann. Die Schüler*innen zeichnen dann Kameras, Scheinwerfer, Regisseure, und irgendwann auch riesige Brüste und Penisse. So wird aus einer Sexszene ein Pornofilmset – der Unterschied zwischen Realität und Illusion anschaulich erklärt.

„Jugendliche können sehr gut unterscheiden zwischen Film und Realität“, sagt Cédric Beat Brodersen, Pollmanns Kollege. „Sie wissen auch, dass das, was sie im Porno sehen, nicht das ist, was sie sich wünschen.“

Pornos als Mutprobe

Stefan Müller ist Sexualpädagoge in Friedrichshain-Kreuzberg und sagt: „Unter den 11- und 12-Jährigen sind Pornos eine Mutprobe: Wer kann das Ekligste, das Extremste anschauen?“ Sie bringen das Thema in den Workshops oft, um den Pädagogen zu schockieren. Es gehe in dem Alter nicht darum, mit Pornos seine eigene Sexualität zu erkunden, sagt Müller. Trotzdem spreche er dann zum Beispiel die starren Geschlechterrollen an.

Die stehen schon lange in der Kritik: Jungs würden mit Pornografie zu Vergewaltigern erzogen und Frauen zu Opfern, lautete etwa die Prophezeiung von Alice Schwarzer in den 80er Jahren. „Auf die Jungs üben diese Rollenbilder oft auch viel Druck aus. Die wollen nicht die Machos sein“, sagt hingegen Stefan Müller.

Außerdem geht es auch anders: Mittlerweile gibt es queere und feministische Pornos, Pornos, in denen verschiedene Körper, Sexualitäten, Gender und Praktiken abgebildet werden. Die Jusos Berlin forderten vergangenes Jahr sogar eine staatliche Förderung von feministischen Pornos. Aber den Zugang dazu finden die meisten erst viel später. „Es wäre schön, wenn feministische und ethische Pornos genau so zugänglich wären für Jugendliche, wie die anderen Pornoseiten“, findet Pollmann.

Doch da Pornografie erst ab 18 Jahren legal ist, können die Sexualpädagog*innen nicht ganz offen über das breite Angebot reden: „Ich darf ja keine Werbung für alternative Pornoseiten machen, sondern nur Themen aufnehmen, die aus der Gruppe kommen“, sagt Müller. Er wolle niemanden überwältigen.

PorYes-Award Kommende Woche wird in Berlin zum zehnten Mal der PorYes-Award an herausragende Werke aus der queerfeministischen Pornoszene verliehen. Ab Donnerstag, dem 17. Oktober, stehen bis Montag, dem 21. Oktober, verschiedene Veranstaltungen auf dem Programm, neben Pornos und Diskussionen auch eine Party zur Preisverleihung am Samstag ab 23 Uhr im Club Gretchen. Der Award ist „gegen die Pornografisierung des Alltags und gegen eine öffentliche Scheinmoral, die dies zulässt, aber keine positive und emotionale Sexualaufklärung von Jugendlichen fördert“, heißt es auf der Webseite von PorYes.

Nominiert wurden Filme, in der eine Vielfalt an Gender, Sexualität, Körper und Praktiken vorkommen und wo die weibliche Lust im Zentrum steht. Der Award wird außerdem nur verliehen, wenn Frauen auch in der Produktion Einfluss nehmen, als Regisseurinnen, Kamera­frauen oder Produzentinnen. (arr)

Bildungslücke schließen

In einem Kurs der Sexualpädogin Agi Malach vom Bildungskollektivs BiKo waren alternative Pornos trotzdem Thema: „Einmal kam die Frage, warum man für Pornos nicht bezahlen muss“, erzählt Malach. „Da habe ich erklärt, dass es in der Industrie Ausbeutung gibt, dass es aber auch Seiten gibt, die kosten und dafür fair produzieren.“

In der nächsten Woche wird der feministische PorYes-Award verliehen. Veranstalterin Laura Méritt findet: „Im Aufklärungsunterricht wird nicht die ganze Vielfalt an Sexualitäten besprochen, die es gibt. Antworten suchen Jugendliche dann im Internet – und stoßen auf normierende und diskriminierende Bilder.“

Der Award schließt, so Méritt, die Bildungslücke, indem er ein Bewusstsein für sexuelle Vielfalt und sexuelle Kommunikation schafft. „Wir richten uns zunächst an Erwachsene – die wollen ja auch lernen und können das dann weitergeben“, sagt die Veranstalterin.

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