Regenbogen-Flitzer und die Fifa: Die Zensur unterlaufen

Der Spielfeldflitzer von Katar hat seine Botschaften gesetzt. Der Hype um ihn ist bequem, auch weil der Westen zu den Anständigen gehört.

Protestaktion bei einem Fußballspiel auf dem Spielfeld

Ein Flitzer mit Regenbogenflagge beim Spiel zwischen Uruguay und Portugal, 28. November Foto: Tom Weller/dpa

Es war gleich eine Kaskade von Botschaften, die Mario Ferri bei der WM-Partie Portugal gegen Uruguay auf den Rasen trug. „Rettet die Ukraine“ stand auf Englisch auf der Vorderseite seines Superman-Shirts, „Respekt für die iranischen Frauen“ auf der Rückseite, dazu schwenkte der bekannte italienische Flitzer eine Regenbogenfahne. Die Fifa-Medienregie versuchte die Störung ihrer Inszenierung zu zensieren, doch natürlich gelangten die Bilder in die Welt.

Im deutschsprachigen Social Media wird Ferri nun als Held gefeiert; auf Videos sind im Stadion wiederum Pfiffe und Buhen zu hören. Es lohnt sich, das alles nüchterner zu analysieren. Zunächst hat der Italiener etwas sehr Wirkungsvolles getan: Er hat Botschaften sichtbar gemacht, die bei der WM systematisch einkassiert werden – das gilt für Regenbogenfahnen wie für Iran-Proteste.

Ein Flitzer schafft Bilder, die sich nicht entfernen lassen. Ferri, der schon häufiger mit politischen Forderungen den Platz stürmte und einen Bezug zu den Themen hat – er war wohl Fluchthelfer für Ukrai­ne­r:in­nen, und bereits bei einer früheren Aktion protestierte er für die Freilassung der zum Tode verurteilten Iranerin Sakineh Mohammadi Ashtiani –, hat die Zensur dieses Turniers wörtlich klug unterlaufen.

Zugleich sind die hyperemotionalen Lobpreisungen aber auch Ausweis eines zunehmend oberflächlichen Kampfes um Symbole: One-Love-Binde und geschlossene Münder gegen Özil-Porträts. Bilder, die viel Sichtbarkeit bekommen, aber deren Wirkung auf den Empfänger meist begrenzt ist. Und ein Ausweis einer deutschen Gesellschaft, die sich kaum für realpolitische Wege zur Verbesserung interessiert oder überhaupt etwa mit der katarischen Gesellschaft ins Gespräch kommen möchte, sondern sich vor allem ihres eigenen Anstands versichert.

Und die Fifa? Ihre übliche Zensur entspringt dem durchaus nachvollziehbaren Wunsch, die grassierende Flitzer-Epidemie nicht noch weiter zu befeuern. Doch die Geschichte des – auch politischen – WM-Flitzens zeigt: Herrin über die TV-Bilder mag die Fifa sein. Aber nicht Herrin über die Realität.

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Jahrgang 1991, studierte Journalismus und Geschichte in Dortmund, Bochum, Sankt Petersburg. Schreibt für die taz seit 2015 vor allem über politische und gesellschaftliche Sportthemen zum Beispiel im Fußball und übers Reisen. 2018 erschien ihr Buch "Wir sind der Verein" über fangeführte Fußballklubs in Europa. Erzählt von Reisebegegnungen auch auf www.nosunsets.de

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