Reichelt gegen Springer: Es geht nicht um Macht­missbrauch

Ein Gütetermin vor dem Arbeitsgericht Berlin soll den Konflikt zwischen Ex-„Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt und seinem Ex-Arbeitgeber schlichten.

Julian Reichelt trägt ein gestreiftes Hemd unter einer dunklen jacke und eine runde Brille

Fassade des Springer-Verlagshauses in Berlin Foto: Jürgen Ritter/imago

An diesem Freitagnachmittag beginnt am Arbeitsgericht Berlin das Klageverfahren des Axel-Springer-Verlags gegen den ehemaligen Bild-Chefredakteur Julian Reichelt. Springer verlangt von Reichelt eine Millionen-Summe, weil er gegen Verpflichtungen seines Abwicklungsvertrags verstoßen habe.

Lediglich zur Vorgeschichte dieses Rechtsstreits gehören die Vorwürfe gegen Reichelt, er habe seine Machtstellung als Chefredakteur missbraucht. Er soll immer wieder junge, von ihm beruflich abhängige Kolleginnen gefördert und zugleich in sexuelle Beziehungen verstrickt haben, um sie am Ende brüsk abzuservieren.

Nach internen Beschwerden von einigen Mitarbeiterinnen leitete der Axel-Springer-Verlag eine Compliance-Untersuchung ein. Als dies durch einen Spiegel-Bericht im März 2021 bekannt wurde, beurlaubte der Springer Verlag Julian Reichelt. Diese Untersuchung ergab Fehler in der Amts- und Personalführung, die aber „nicht strafrechtlicher Natur“ seien.

Es gab also keine Nötigungsvorwürfe, etwa dass Reichelt den Frauen offen mit Nachteilen gedroht hätte, wenn sie nicht auf seine Offerten eingehen. Nach 13 Tagen durfte ­Reichelt zu Bild zurückkehren. Als aber im Oktober neue Vorwürfe des Machtmissbrauchs bekannt wurden, stellte Springer den Chefredakteur endgültig frei. Zur Begründung hieß es, „dass Julian Reichelt auch aktuell noch Privates und Berufliches nicht klar trennt und dem Vorstand darüber die Unwahrheit gesagt hat“.

Springer verlangt Abfindung zurück

Reichelt wurde nun gekündigt und zugleich wurde ein Abwicklungsvertrag mit ihm geschlossen. Er verzichtete darin auf eine Kündigungsschutzklage und erhielt im Gegenzug eine Millionenabfindung. Außerdem verpflichtete sich Reichelt dazu, keine Bild-Mitarbeiter:innen abzuwerben, keine Unterlagenmitzunehmen und dienstliche Dateien zu löschen.

Gegen solche vertraglichen Verpflichtungen soll Reichelt verstoßen haben. Deshalb hat ihn der Axel-Springer-Verlag beim Arbeitsgericht Berlin verklagt. Springer verlangt die Abfindung zurück. Außerdem müsse Reichelt Vertragsstrafen zahlen. Zusammen solle dies einen siebenstelligen Betrag ergeben. Reichelt wird wohl bestreiten, dass er Verpflichtungen verletzt hat. So dürfte er argumentieren, dass er keine Bild-Mitarbeiter:innen abgeworben habe, sondern diese ihm unaufgefordert zu seiner neuen Firma Rome Media gefolgt seien.

An diesem Freitag findet ein sogenannter Gütetermin statt. Dabei versucht die Vorsitzende Richterin im Gespräch mit beiden Seiten eine einvernehmliche Lösung zu finden. Wenn dies nicht gelingt, kommt es in einigen Wochen zur eigentlichen mündlichen Verhandlung.

Belastet ist das Verfahren dadurch, dass Springer neben der arbeitsrechtlichen Klage zudem Strafanzeige gegen Reichelt gestellt hat. Auch dabei geht es nicht um Reichelts Umgang mit den Kolleginnen, sondern um Betrug im Zusammenhang mit dem Abwicklungsvertrag. Anfang April hat die Staatsanwaltschaft Berlin ein förmliches Ermittlungsverfahren gegen Reichelt eingeleitet, weil ein Anfangsverdacht bestehe. Dieses Verfahren dauert noch an und die Er­mitt­le­r:in­nen wollen zu dessen Inhalt nichts sagen.

Vermutlich wird Reichelt beschuldigt, er habe bei Vertragsschluss nur vorgetäuscht, dass er sich an die Verpflichtungen halten wolle, um damit einen Vermögensvorteil (die Abfindung) zu erhalten. Dies könnte strafrechtlich ein Betrug sein.

Auch der NDR ist involviert

Daneben laufen im Zusammenhang mit der Affäre aber auch noch Verfahren, bei denen Reichelt selbst Kläger ist. So erwirkte er eine einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg gegen die NDR-Sendung „Reschke Fernsehen“. Darin werden dem NDR elf von sechzehn monierte Äußerungen untersagt, insbesondere Zitate von Frauen, die anonym gegen ihn aussagten. Der zentrale Vorwurf des „Machtmissbrauchs“ darf aber weiter erhoben werden.

Der NDR hatte Widerspruch gegen die Verfügung angekündigt, diesen aber noch nicht eingelegt. Er werde noch geprüft, heißt es beim Sender. Stattdessen hat der NDR die Sendung wieder in die Mediathek eingestellt, mit 14 Pieptönen von bis zu 30 Sekunden Länge.

Schon Mitte April hatte das Landgericht Hamburg den NDR zur Ausstrahlung einer Gegendarstellung Reichelts verpflichtet, die aber bislang noch nicht erfolgt ist. In diesem Verfahren hat der Sender bereits Widerspruch eingelegt.

*Nach dem Gütetermin wurde im dritten und im fünften Absatz sachliche Fehler korrigiert. Insbesondere wurde klargestellt, dass Reichelt von Springer gekündigt wurde. Der Vertrag ist daher auch ein Abwicklungsvertrag und kein Aufhebungsvertrag. A.d.R.

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