Schnellboote gegen Vögel: Mit 200 Sachen durchs Meeresschutzgebiet

In der Wismarbucht steigt am Wochenende ein Powerbootrennen - mitten in einem EU-Vogelschutzgebiet. Der Umweltverband BUND findet, das sollte verboten werden. Und das zuständige Umweltamt hatte bei Genehmigung nichts zu sagen.

Spaßrennen mit schnellen Flitzern: Hier in Lübeck-Travemünde fanden die Zuschauer das toll. In Wismar aber werden Vögel vertrieben. Bild: dpa

HAMBURG | taz Powerboote sind die Formel-Eins-Flitzer der Meere. Sie schaffen 200 Stundenkilometer, haben 1.400 PS und 1.000-Liter-Tanks. Am diesem Wochenende trifft sich ein Geschwader solcher Freizeitboote zu einem Spaß-Rennen in der Wismarbucht. Der Umweltverband BUND hat verlangt, das Rennen zu verbieten, denn die Wismarbucht steht als Teil des EU-Netzes Natura 2000 unter Naturschutz. Allein: Für die Genehmigung des Rennens war das unerheblich, denn der Aspekt Naturschutz ist im Genehmigungsverfahren nicht vorgesehen - eine Regelungslücke, wie eine Sprecherin des zuständigen Wasser- und Schifffahrtsamtes (WSA) Lübeck einräumt.

Die Wismarbucht ist nach der Flora-Fauna-Habitat (FFH) und der Vogelschutzrichtlinie geschützt. Hier tummeln sich Kegelrobben, Seehunde und Schweinswale. Dazu kommen als zu schützende Arten Meer- und Flussneunaugen, die Finte, die Schmale Windelschnecke und der Kammolch. Auf Insel Lieps mausern sich die Eiderenten. Dazu kommen neben weiteren Enten- und Möwenarten, Kiebitze, Seeschwalben und sogar ein Seeadler-Paar brütet hier. Am Rand der Bucht gibt es geschützte Lebensräume wie Boddengewässer, Kliffranddünen und Salzwiesen.

Ausgerechnet in diesem Gebiet hat das WSA nun den "Poker Run Weiße Wiek Boltenhagen" genehmigt. Die Marina Weiße Wiek, die die Veranstaltung sponsert, wirbt damit, dass es bei einem Poker Run nicht um PS und Geschwindigkeit gehe, sonder darum Glück zu haben und natürlich Spaß. Die starken Boote müssen fünf Kontrollpunkte anfahren, an denen sie jeweils eine Poker-Karte ausgehändigt bekommen. Wer am Ende das beste Blatt hat, gewinnt. Das Rennen läuft als "Charity"-Veranstaltung für einen guten Zweck. Zuschauer und Mitfahrer sind erwünscht. Wer will, kann sich die Regatta vom Hubschrauber aus ansehen.

Naturschutz Makulatur

Der BUND findet das Spektakel in der Wismarbucht fehl am Platz. "Powerboot-Rennen verlärmen die Meeresumwelt, beunruhigen und vertreiben hochgradig geschützte Meerestiere", sagt Arndt Müller vom BUND. "Diese Auswüchse der Spaßgesellschaft führen auf schnellstem Wege dazu, dass der Ruf der Wismarbucht als Urlaubsort für Naturfreunde ruiniert wird." Die Vereinbarung zwischen Wassersportlern, Anglern und den Umweltbehörden zum Schutz der Natur werde damit Makulatur.

Müllers Kollege Jan Bakowski weist darauf hin, dass das Rennen durch eine Zone führen solle, die der Vereinbarung gemäß nur beschränkt befahrbar sein solle. Ohne die Vereinbarung könnte auch ein einzelnes Segelboot dort nicht durchfahren, sagt Bakowski. Ein Powerboot-Rennen sei freilich etwas ganz anderes. "Umweltschonend sind die überhaupt nicht", sagt er. "Die sind da, um schnell zu fahren." Dazu kämen die Hubschrauber und Begleitboote als Belastung - und das zu einer Zeit, in der etwa die Eiderenten nicht flüchten könnten. Wegen der Mauser sind sie flugunfähig.

Bahn frei auf Wasserstraße

Der BUND fordert ein generelles Verbot der Powerboot-Rennen in der Wismarbucht. Denn in diesem Jahr findet es schon zum dritten Mal statt. Genehmigt wurde es vom WSA auf Basis der Seeschifffahrtsverordnung weil die Ostsee eine Bundeswasserstraße ist. "Wenn jemand so einen Antrag stellt, haben wir gar keine Möglichkeit über andere Argumente als verkehrliche Aspekte zu genehmigen", sagt die WSA-Sprecherin. Naturschutzbehörden könnten nach geltender Rechtslage dabei gar nicht gefragt werden.

Bernhard Fiedler vom Staatlichen Amt für Landwirtschaft und Umwelt Westmecklenburg ist das schmerzlich bewusst. "Es wäre logisch uns zu beteiligen", sagt er. "Wir sind aber nicht die Genehmigungsbehörde." Privat hat er sich so ein Rennen einmal angesehen. "Die meisten sind sehr diszipliniert rausgefahren", sagt er. Unter solchen Umständen sei so eine Veranstaltung möglicherweise vertretbar. Zum Rennen am Wochenende hat er einen Mitarbeiter zur Beobachtung abgestellt.

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