Serie „A Thin Line“: Zwischen Richtig und Falsch

Cool statt bemüht wirkt „A Thin Line“. Die deutsche Paramount-Serie erzählt vom Klimaaktivismus mit all seinen Facetten.

Junge Frau läuft durch Korridor, gefolgt von einer JVA-Beamten

Anna (Saskia Rosendahl) landet wegen ihres Aktivismus im Gefängnis Foto: Weyemann Bros./Paramount+

Filme und Serien sind immer dann am spannendsten, wenn sie Themen in emotional mitreißenden Geschichten verhandeln, die unsere Gesellschaft wirklich bewegen. Das Leitmotto, das Jakob und Jonas Weydemann formulieren, die mit preisgekrönten Werken wie „Systemsprenger“, „Niemand ist bei den Kälbern“ oder „Ivie wie Ivie“ seit Jahren zu den interessantesten deutschen Pro­du­zen­t*in­nen gehören, klingt ohne Frage naheliegend.

Und doch scheint es kein Kinderspiel zu sein, wenn man sich ansieht, wie selten hierzulande wirklich packend und unterhaltsam von tagespolitischen Themen erzählt wird. Doch es geht, wie die Brüder nun mit ihrer ersten Serie beweisen: viel enger an brandaktuellen Debatten als „A Thin Line“ (zu sehen bei Paramount+) kann Fiktion kaum sein.

Im Zentrum der über sechs Episoden erzählten Geschichte stehen zwei junge Frauen, die für eine bessere Welt und gegen den Klimawandel kämpfen. Anna (Saskia Rosendahl) und Benni (Hanna Hilsdorf) sind Zwillingsschwestern und betreiben gemeinsam die anonyme Onlineplattform Climate Leaks. Die Rollen sind dabei eindeutig verteilt. Anna ist die strategische Planerin, meisterlich im Hacken, introvertiert und insgesamt lieber vorsichtig, während Benni die Frau für die Tat ist, draufgängerisch, impulsiv und kaum ein Risiko scheuend.

Im Bemühen, den Wald, in dem sie bei ihrer verstorbenen Mutter Marlene und deren Lebensgefährtin Uli (Julika Jenkins) aufgewachsen sind, zu retten und den korrupten Verkehrsminister zu enttarnen, gelingt ihnen nach einem Einbruch in dessen Behörde ein Coup, der für Aufsehen sorgt.

Terroristische Mittel

Doch es dauert auch nicht lange, bis die Polizei vor der Tür steht: Benni kann noch rechtzeitig verschwinden, aber Anna wird verhaftet. Freigelassen wird sie – inklusive elektronischer Fußfessel, die zu knacken für jemanden wie sie aber natürlich ein Kinderspiel ist – nur, weil ihr als BKA-Beamter für Cybercrime-Angelegenheiten arbeitender Patenonkel (Peter Kurth) sie dazu überredet, als V-Person für den Geheimdienst tätig zu werden.

Während Anna dabei helfen soll, gegen Um­welt­ak­ti­vis­t*in­nen vorzugehen, taucht Benni im Untergrund ab und schließt sich der auch vor terroristischen Mitteln nicht zurückschreckenden Gruppierung „Der letzte Widerstand“ an, in der die skrupellose Rainman (Hadewych Minis) das Sagen hat. Als die einen Anschlag auf eine Raffinerie plant, stehen die beiden Schwestern längst auf unterschiedlichen Seiten des Gesetzes. Wo die Grenze zwischen Richtig und Falsch oder Gut und Böse verläuft, ist allerdings nicht nur im Klimakampf ein sehr schma­ler Grat.

Aus all dem, was die Generation Thunberg heutzutage umtreibt und nicht nur junge Menschen dazu bringt, sich auf Straßen festzukleben oder mit Kartoffelbrei auf Gemälde zu werfen, eine Serie zu machen, die weder belehrend noch erklärend herüberkommt und sich auch nicht an den Zeitgeist anbiedert – das muss man erst einmal schaffen.

Moralische Grauzonen

Den Weydemann-Brüdern samt Head-Autorin Stefanie Ren und Sabrina Sarabi sowie Damian John Harper auf dem Regiestuhl glückt das, weil sie zwischen gewaltfreiem Protest und extremistischer Radikalität alle moralischen Grauzonen aufmachen, ohne dem Publikum eine Verortung aufzunötigen.

So wird „A Thin Line“ zu einem spannenden Politthriller in Indie-Film-Optik, der seine unmittelbare Relevanz nicht ostentativ vor sich herträgt, sondern tatsächlich cool statt bemüht wirkt. Schauspielerisch wird Großes geboten, nicht zuletzt von der immer sehenswerten Saskia Rosendahl und der noch viel zu unbekannten Hanna Hilsdorf als selbst in der Dialektfärbung ungleichen Schwestern.

Ob es dabei wirklich nötig gewesen wäre, die Handlung mit so viel kompliziertem Familiendrama zu unterfüttern, das mitunter die Motivation des Aktivismus zu unterwandern scheint? Schwamm drüber. Daran stört man sich in dieser stimmig und effektiv erzählten Geschichte am Ende noch weniger als an arg konstruierten Unglaubwürdigkeiten wie etwa einem BKA-Ermittler, der hoch sensible Daten zu Hause in einer nicht verschlossenen Schublade lagert.

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