Serie Powerplay: Durch die gläserne Decke

Der Aufstieg der norwegischen Premierministerin Gro Harlem Brundtland war hart. Die Serie „Powerplay – Smart Girls Go For President“ handelt davon.

Filmszene aus "Powerplay- Smart Girls Go For President"

Gro Harlem Brundtland (Katherine Thorborg) unter Männern Foto: Moltys/Novemberfilm/NDR/NRK

16 Jahre Merkel haben so man­che:n fälschlicherweise glauben lassen, Frauen an der Macht gehörten schon längst ganz selbstverständlich zur welt- und bundespolitischen Normalität, wie in den 70ern die Salzstange zum Bier. Denn, wenn ich „Macht“ sage, dann meine ich nicht nur ein Minister:innenamt, sondern ich spreche vom echten, großen BÄÄÄMMM, der alleinigen Führungsrolle im politischen Game eines Landes.

Noch bevor Angela uns mit ihrer etwas betulichen, mitunter öden Art durch diverse Krisen hindurchwurschtelte, hatte Norwegen Gro Harlem Brundtland (geb. 1939) zu bieten. Sie bekleidete ab 1981 ganze 3 Mal das höchste politische Amt ihres Landes, bevor sie später Generaldirektorin der WHO wurde und sich als Streiterin für Klimaschutzfragen einen internationalen Namen machte. In ihrer Heimat ikonisch verehrt, hält sie bis heute Vorträge und publiziert regelmäßig.

Nun hat ihr das norwegische Fernsehen in Zusammenarbeit mit dem NDR eine 6teilige Serie gewidmet, die ihren Weg an die Spitze Anfang der 80er Jahre nachzeichnet.

Der recht plakative Titel „Powerplay“ hätte sicherlich genügt, leider wurde noch ein „Smart Girls Go For President“ hinzugefügt, was nervt, gemahnt der Zusatz doch eher an eine alberne College Comedy als an feministische Durchbrüche. Aber geschenkt.

In der Ruhe liegt die Kraft – so könnte das Lebensmotto der Hauptfigur lauten, denn wir beobachten sie im Verlauf der Serie dabei, wie sie mit Haltung und Kompetenz einfach zusieht, wie sich ihre männlichen Mit- und Gegenspieler gegenseitig ins Abseits manövrieren, im Kampf um Status und Machterhalt.

Brundtland hingegen, ausgebildete Ärztin mit Harvard-Diplom, hüllt sich in Bescheidenheit, während sie hart daran arbeitet, politisch etwas im Land zu bewegen. Sie wird von der fantastischen Schauspielerin Katherine Thorborg Johansen mit Feelings ausgestattet, die typisch sind für die emanzipierte 70er-Jahre-Frauengeneration: Genervtheit und Mitleid mit den Großmäulern der Nachkriegszeit.

Diese haben in „Powerplay“ nämlich kaum Lust auf politische Maloche, sondern kleben an Sesseln und Haltungen von anno dunnemals. Ministerposten: ja, Regierungsverantwortung: lieber nicht.

Letztlich sind es deren Vermeidungsstrategien und Fehltritte in alle Richtungen, die Brundtland in das höchste Amt Norwegens bringen. Amüsiert wie fassungslos sehen wir ihr dabei zu, wie sie durchhält und im richtigen Moment zu´r Stelle ist.

Die Handkamera fängt die verwirrten, abgekämpften Gesichter ihrer männlichen Kollegen ein, es wird geraucht, gesoffen und geschwiegen, wenn eigentlich volle Äktschn angezeigt wäre.

Brundtland selbst, stets adrett in Bluse und Weste gekleidet, wie eine Grundschullehrerin, muss sich Herabwürdigungen, Verniedlichungen ihrer Person und auch sexueller Übergriffe erwehren, dramatisiert diese aber nie, eines höheren Zieles wegen. Das macht diese Figur so stark. Anders als in den Serien „Borgen“ oder „House of Cards“ bewegen sich die Prot­ago­nis­t:in­nen nicht in einer humorfreien Zone, sondern stellen ihre Defizite und Schrullen offen zur Schau.

In Folge 3 wird zum Beispiel eine Wahlkampf-Bahnfahrt der Parteispitze begleitet, in der diese, zwangszusammengepfercht mit der schreibenden Zunft des Landes, Strategisches ausplaudert, aufgrund von Aquavit. Verkatert taumeln die Herren Politiker am nächsten Morgen in Pressekonferenzen hinein, unfähig, ganze Sätze oder sinnvolle Gedanken zu formulieren. Einzig Brundtland war frühzeitig in ihr Nachthemd geschlüpft, um nun erholt die Kohlen aus dem Feuer zu holen. Ganz Sinnbild ihrer Resi­lienz und Zuverlässigkeit, trotzt sie jeder Intrige.

Filmisch wurde „Powerplay“ mit leichter Hand umgesetzt, Kulissen bleiben sichtbar, und obwohl die Serie vor über 40 Jahren spielt, erscheint in den Außenaufnahmen das aktuelle Stadtbild Oslos. Nur die Farben Braun und Beige stehen so im Vordergrund, dass uns die Lethargie und Ödnis dieser vergangenen politischen Dekade begleitet. Man riecht sie förmlich, die verräucherten Räume und durchgeschwitzten Anzüge. Sinnlich und abstoßend zugleich. Und großartig!

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