Sparen wegen Umstellung auf E-Mobilität: Gebremster Kahlschlag bei Ford

Ford streicht europaweit 3.800 Arbeitsplätze, davon 2.300 in Deutschland. Die Belegschaft reagiert erleichtert – sie hatte noch Schlimmeres erwartet.

zerkratztes Ford-Logo an einer Fensterscheibe

Der Lack ist zerkratzt, der Ruhm verblasst: Logo an einem Eingang zu den Kölner Ford-Werken Foto: Oliver Berg/dpa

BOCHUM taz | Ford will in den kommenden drei Jahren europaweit 3.800 Jobs streichen. Das erklärte der Europa-Chef des Autobauers, Martin Sander, am Dienstagmorgen. Einmal mehr besonders hart treffen wird es die deutschen Standorte. In den Entwicklungsabteilungen in Köln und Aachen sollen insgesamt 1.700 Arbeitsplätze wegfallen, hinzu kommen 600 Stellen in der Verwaltung.

Grund dafür seien Kostenkürzungen wegen der Umstellung auf Elektromobilität, sagte Sander. Ford wolle sich in Europa „auf ein kleineres, fokussierteres und zunehmend elektrisches Produktportfolio“ ausrichten. „Ein Elektrofahrzeug ist viel weniger komplex als ein Verbrenner. Dem müssen wir uns stellen – sonst sind wir langfristig nicht wettbewerbsfähig.“

Die angekündigten Jobstreichungen sind daher bereits ein Kompromiss mit der Arbeitnehmerseite. Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende von Ford, Benjamin Gruschka, hatte im Januar gewarnt, allein am Rhein drohe die Streichung von rund 3.200 Stellen. Gerettet werden konnten damit nur 900 Arbeitsplätze. In einem „harten Verhandlungsmarathon“ habe der Betriebsrat zudem erreicht, dass der „erhebliche Personalabbau auf freiwilliger Basis mit vernünftigen Abfindungsprogrammen“ stattfinde, so die Industriegewerkschaft Metall.

Außerdem sei ein Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen bis Ende 2032 vereinbart worden. „Die Belegschaft ist erleichtert“, bilanzierte Gruschka nach einer ersten Betriebsversammlung, bei der die Mitarbeitenden über die „Ford Future“ genannte Vereinbarung informiert wurden. „Wir haben Standing Ovations bekommen.“ Aktuell beschäftigt der Autohersteller deutschlandweit rund 19.000 Menschen, davon 14.000 allein in den Kölner Ford-Werken. Der Autobauer ist damit der größte private Arbeitgeber in Nordrhein-Westfalens einziger Millionenstadt.

Blackbox Saarlouis-Pläne

Völlig unklar bleibt dagegen die Zukunft der Beschäftigten der Ford-Fabrik im saarländischen Saarlouis, wo die Fertigung des Verbrenner-Modells Focus 2025 ausläuft. Laut Schätzungen des dortigen Betriebsrats sollen dort danach nur 500 bis 700 von derzeit 4.500 Jobs erhalten bleiben.

Zwar wird mit dem chinesischen Elektroautobauer BYD über eine Übernahme des Standorts verhandelt und auch Auftragsfertiger wie die österreichische Magna-Gruppe oder das niederländische Unternehmen VDL Nedcar sollen grundsätzliches Interesse signalisiert haben. Beschlossen ist aber nichts: „Wir sind in vielen Gesprächen mit möglichen Investoren“, sagte Ford-Chef Sander dazu nur – detaillierter äußern könne er sich nicht.

Ein weitere Autofabrik im belgischen Genk hatte Ford bereits 2014 dichtgemacht. Hintergrund der Jobverluste und Werkschließungen dürften deshalb nicht nur die Umstellung auf Elektromobilität, sondern die bereits seit Jahren sinkenden Absatzzahlen sein. „Ford hatte im Januar einen Marktanteil von 4,6 Prozent. Vor zehn Jahren war der noch doppelt so hoch“, analysiert der Hochschullehrer Stefan Bratzel, Direktor des Centers of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach bei Köln. „Da hat man ein Problem.“

Dickes Minus in Europa

Denn in Europa hat Ford allein im vierten Quartal 2022 einen Vorsteuerverlust von von 400 Millionen Dollar eingefahren. Das will Gesamtkonzernchef Jim Farley in der Unternehmenszentrale in Dearborn im US-Bundesstaat Michigan nicht hinnehmen. Zwar konnte Ford 2022 insgesamt einen Vorsteuergewinn von 10,4 Milliarden Dollar verzeichnen – doch Farley reicht das nicht: Insgesamt habe das Unternehmen „etwa zwei Milliarden Dollar an Profit auf dem Tisch liegen lassen“, klagte er Anfang Februar. Für ihn und sein Team sei das „demütigend“.

Auf der anderen Seite des Atlantiks steuert Fords Europa-Chef Sander deshalb hektisch um. Ab 2030 werde das Unternehmen hier nur noch „rein elektrische“ Fahrzeuge anbieten. Allein in Köln investiere Ford dazu 2 Milliarden Dollar, also etwa 1,86 Milliarden Euro. Zusammen mit den fast zehn Jahre ausgeschlossenen betriebsbedingten Kündigungen am Hauptstandort sei das ein „absolutes Commitment zu Deutschland, zu Europa“, beteuerte Sander.

Allerdings: Das bisher in Köln produzierte Modell Fiesta kauft schon heute kaum noch jemand. Im Januar rangierte der seit 1976 angebotene Kleinwagen mit 1.259 Einheiten auf Platz 48 der deutschen Zulassungsstatistik.

Keine eigene E-Basis

Autoexperte Bratzel hat deshalb Zweifel, ob der Kurswechsel noch rechtzeitig kommt. „Ford hat die reine Elektromobilität völlig unterschätzt“, sagt der CAM-Direktor. Tatsächlich kann Sander europäischen Kunden nur einen in Mexiko produzierten SUV als vollelektrisches Fahrzeug anbieten. Zwar soll der ebenfalls vollelektrische Kölner Fiesta-Nachfolger mit dem internen Kürzel CX43 ab Ende des Jahres ausgeliefert werden – doch der steht nicht auf einer eigenen Ford-Elektroplattform, sondern basiert auf dem Modularen Elektrobaukasten von Volkswagen.

Sorgen macht Bratzel deshalb besonders, dass die Entwicklungsabteilung so massiv geschrumpft wird. Denn damit bestehe die Gefahr, dass die Elektrobasis für zukünftige Ford-Stromer wie bisher in den USA entwickelt werde. „In Köln müssten dann Fahrzeuge gebaut werden, die dem amerikanischen, aber nicht dem europäischen Geschmack entsprechen und sich entsprechend schlecht verkaufen“, warnt der Experte.

Ford Chef Sander dagegen will davon nichts wissen: „Ich bin persönlich verantwortlich für das Elektro-Geschäft in Europa“, sagte er am Dienstag – „und ich habe größtes Interesse daran, dass unsere Fahrzeuge den Nerv unserer Kundschaft treffen“.

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