Spektakel bei Borussia Dortmund: Betörender Auftritt in größter Not

Borussia Dortmund zeigt gegen Mönchengladbach den wankelmütigen Spektakelfußball, der eigentlich der Vergangenheit angehören sollte.

Niclas Füllkrug schlittert jubelnd im Regen über den nassen Rasen

In einen Rausch rutschen: Niclas Füllkrug bejubelt seinen Ausgleichstreffer zum 2:2 Foto: imago

Edin Terzić gab sich viel Mühe diesen Satz positiv klingen zu lassen, der an einen etwas altmodischen Werbeslogan erinnert. „Mit dem BVB wird es nie langweilig in dieser Saison“, sagte der Trainer von Borussia Dortmund nach dem 4:2 gegen Borussia Mönchengladbach, in einem Spiel, das ihm eigentlich viel zu wild geworden war. Aber das Publikum hatte tatsächlich wieder einmal einen dieser betörenden Abenteuernachmittage erlebt, die zum Faszinosum dieses Vereins gehören.

Als Donyell Malen in der siebten Minute der Nachspielzeit mit Ball am Fuß in Richtung des leeren Gladbacher Tors sprintete, konnte sich die bis in jede Körperfaser elektrisierten Dortmunder Anhänger genussvoll dem schwarz-gelben Zauber hingeben. Der Ball war noch nicht im Tor, aber wenige Augenblicke, nachdem Christoph Kramer beinahe das 3:3 geschossen hätte, kurz nach diesem Moment der Angst wussten alle, dass dieses Spiel mit einem Sieg enden würde.

Malen riss die Arme bereits vor seinem Torschuss in die Höhe, und vollendete dieses Fußballdrama mit dem finalen 4:2. „Welche Moral, welche Energie die Mannschaft wieder auf den Platz bekommen hat, dafür großes Kompliment“, sagte Edin Terzić am Ende dieses Ritts durch die Welt der Fußballgefühle.

Begonnen hatte das Spiel nämlich katastrophal für die Dortmunder. Nach 28 Minuten hatten sie nach Treffern von Rocco Reitz und Manu Koné mit 0:2 zurückgelegen. „Wir haben versucht, die Gladbacher im eins gegen eins zu verteidigen, das hat nicht so gut geklappt“, sagte Julian Brandt. Nach den beiden furchtbaren Leistungen gegen den FC Bayern (0:4) sowie den VfB Stuttgart (1:2), die Gerüchte über Zerwürfnisse innerhalb der sportlichen Leitung und Zweifel am Trainer befeuert hatten, drohte noch Schlimmeres.

Enorme Widerstandskräfte

Der Rückstand auf die Tabellenspitze wäre auf 13 Punkte angewachsen, bei der Mitgliederversammlung, die am Sonntag stattfand, hätte es harte Auseinandersetzungen gegeben.

Doch irgendwie weckte eine bedrohliche „Mit dem Rücken an der Wand“-Situation wieder einmal diese im Wesen dieser Mannschaft schlummernden Widerstandskräfte, die im Frühjahr beinahe den Gewinn der deutschen Meisterschaft ermöglicht hätten. „Für uns war es sehr, sehr wichtig, dass wir nach diesem 0:2 sehr schnell zurückgekommen sind, das Spiel in unsere Richtung gedreht haben, erneut Comeback-Qualitäten gezeigt haben“, sagte Sportdirektor Sebastian Kehl. „Das brauchen wir nicht jedes Mal, aber es ist trotzdem ein Merkmal dieser Mannschaft.“ Elf Punkte haben die Dortmunder in dieser Saison nach Rückständen noch gewonnen.

So leitete der in den meisten Phasen seiner Karriere nicht als Defensivzweikämpfer in Erscheinung getretene Marco Reus durch energische Balleroberungen zwei der drei Treffer ein, mit denen Dortmund das Spiel noch vor der Pause drehte. Brandt lieferte eine beeindruckende Vorarbeit zu Marcel Sabitzers 1:2 (31.), ein spektakulärer Torabschluss von Niklas Füllkrug mit dem Außenrist führte zum 2:2 (32.). Noch vor der Pause erzielte der starke Jamie Bynoe-Gittens sogar den dritten Treffer. „Wir sind so ein bisschen in den Flow gekommen, was wir gerne öfter hätten“, sagte Nico Schlotterbeck. Aber die These zur Zukunft, die Trainer Terzić noch vor wenigen Wochen in prägnante Worte gefasst hatte, ist nun widerlegt.

Seine Mannschaft spiele „weniger sexy“, habe dafür aber „mehr Erfolg“, hatte er nach einer Reihe von biederen Auftritten erklärt, die siegreich geendet hatten. Inzwischen sind die Topklubs aus Leverkusen und München enteilt, und das Publikum im Dortmunder Stadion hatte gegen Mönchengladbach genau jenen wankelmütigen Spektakelfußball erlebt, den Terzić zwar „sexy“ findet, den er aber gern zugunsten von Zuverlässigkeit und Stabilität überwinden würde. „Es war wichtig, so eine Reaktion zu zeigen“, sagte er jetzt, denn nicht nur die Mitgliederversammlung wäre mit einem weiteren Misserfolg höchst unangenehm geworden. Auch die richtungsweisenden Partien, die in den kommenden Wochen anstehen, hätten unter ganz anderen Umständen stattgefunden.

Der BVB spielt am Dienstag in der Champions League beim AC Mailand, es folgen eine Partie bei Tabellenführer Leverkusen und ein Pokalduell beim VfB Stuttgart, bevor Leipzig und Paris in Dortmund zu Gast sein werden. Vielleicht wird dann besser erkennbar sein, ob dieser wechselhafte BVB nun sexy und erfolgreich ist oder eben doch zerrüttet und krisenanfällig. Wahrscheinlicher ist aber, dass es bei der Unberechenbarkeit bleibt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.