Sprengsatzfund in Halle: Nur Zufall verhindert neuen Terror

Als die Polizei in Sachsen-Anhalt eine Wohnung durchsucht, stolpert sie über einen Sprengsatz. Ein Mann plante offenbar einen rassistischen Anschlag.

Polizei steht vor einem Wohnhaus in Halle, ein Bereich ist mit Flatterband abgesperrt.

Die Polizei hat in einer Wohnung in Halle einen wohl zündfähigen Sprengsatz gefunden Foto: Tom Musche/dpa

BERLIN taz | Der Innenausschuss in Sachsen-Anhalt beschäftigt sich am Donnerstag mit einer Bombe. Den Sprengkörper hatte die Polizei bei einer Festnahme in Halle (Saale) am vergangenen Wochenende entdeckt. Sie geht beim Täter von einem extrem rechten Hintergrund aus.

Sebastian Striegel, innenpolitischer Sprecher der Grünen in Sachsen-Anhalt, sieht noch Klärungsbedarf. Seine Fraktion hat bei der Landesregierung einen Bericht beantragt. „Hatten die Behörden den Täter schon vorher auf dem Schirm? Das ist eine der Fragen, die wir als Grüne dem Innenministerium stellen wollen.“

Bekannt ist bereits: Der 36-jährige Hallenser, bei dem die Bombe gefunden wurde, hatte selbst auf sich aufmerksam gemacht. Am vergangenen Samstag rief er rassistische Parolen aus dem Fenster und trug dabei eine vermeintliche Waffe bei sich, so berichtet es die Staatsanwaltschaft Halle. Die Polizei habe ihn daraufhin festgenommen und seine Wohnung durchsucht.

Die vermeintliche Waffe stellte sich zwar als Spielzeuggewehr heraus. Doch die Beamten fanden rassistische Schriftstücke und Abbildungen – sowie den „unkonventionellen“, aber funktionsfähigen Sprengsatz, heißt es von der Staatsanwaltschaft.

„Rechter Terror ist real“

Die Ermittlungen dauern derzeit an. Darum möchte sich die Staatsanwaltschaft Halle nicht zu den Details äußern und ließ auch unkommentiert, ob sich der Sprengsatz in einem Aluminiumkoffer befand, wie die regionale Mitteldeutsche Zeitung berichtet. Aber die Staatsanwaltschaft macht deutlich: „Wir gehen davon aus, dass er andere aus rassistischen und rechtsextremen Gründen töten wollte.“

Der Täter war der Polizei bekannt und vorbestraft, allerdings nicht wegen politischer Delikte. Auf taz-Anfrage beim Landesinnenministerium hieß es lediglich, man müsse die Informationen erst selbst in Erfahrung bringen.

Die Linkenpolitikerin Henriette Quade findet: „Man muss froh sein, dass es zum Polizeieinsatz gekommen ist, bei dem der Sprengsatz gefunden wurde.“ Der Fall zeige noch einmal deutlich: „Die Gefahr des rechten Terrors ist real und alltäglich.“ Rassismus sei ein zunehmendes Problem.

Das belegt auch die am Mittwoch veröffentlichte Polizeistatistik zu politisch motivierter Kriminalität in Sachsen-Anhalt. Rechte Straftaten erreichten demnach 2023 einen neuen Höchststand. Von den insgesamt 3.019 erfassten Fällen ordnet die Polizei 2.036 als rechts ein. Innenministerin Tamara Zieschang (CDU) erklärte dazu: „Die stetige Zunahme von rechtsmotivierten Straftaten ist sehr ernst zu nehmen.“

Von einer zunehmenden „Gefahr für Menschen, die von Rassisten und Antisemiten als Feindbilder deklariert werden“, berichtet auch Antje Arndt, Projektleiterin der „Mobilen Beratung für Opfer rechter Gewalt“ in Sachsen-Anhalt. Die Beratung veröffentlicht am Donnerstag ihre Jahresbilanz zu rechter Gewalt – und die deuteten ebenfalls darauf hin. Arndt stört allerdings teilweise die Berichterstattung über den aktuellen Fall.

2019: Terroranschlag auf Synagoge in Halle

Der MDR schrieb etwa von Problemen mit „Afrikanern“, die in der Nachbarschaft des Täters leben. „Dass Medien jetzt einen Zusammenhang suchen mit vermeintlicher Kriminalität von Migranten als Ursache, ist nicht nur realitätsfremd, sondern auch gefährlich.“

Doch insgesamt halte sich die Medienaufmerksamkeit in Grenzen, findet zumindest dem Grünenpolitiker Striegel. „Dafür, dass in Halle erneut ein rechtsextremer und rassistischer Terroranschlag geplant war und diese Pläne nur zufällig aufgedeckt wurden, ist es bisher gesellschaftlich viel zu ruhig.“

Am 9. Oktober 2019 hatte ein bewaffneter 27-Jähriger erfolglos versucht, in die Synagoge in Halle einzudringen. Dort wollte er jüdische Menschen ermorden. Nachdem er nicht durch die Tür gekommen war, erschoss er zwei Pas­san­t:in­nen und verletzte auf seiner Flucht weitere schwer.

Henriette Quade hofft, dass Behörden beim aktuellen Täter genau hinschauen, die Onlinevernetzung prüfen und darauf achten, ob die gefundenen Schriften auf Organisationen oder Partner deuten. „Wie schon beim Anschlag vom 9. Oktober, sehen wir auch hier: rechter Terror braucht keine organisierten Strukturen im Sinne der 90er.“

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Hier erfährst du mehr

Rechtsextreme Terroranschläge haben Tradition in Deutschland.

■ Beim Oktoberfest-Attentat im Jahr 1980 starben 13 Menschen in München.

■ Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) um Beate Zschäpe verübte bis 2011 zehn Morde und drei Anschläge.

■ Als Rechtsterroristen verurteilt wurde zuletzt die sächsische „Gruppe Freital“, ebenso die „Oldschool Society“ und die Gruppe „Revolution Chemnitz“.

■ Gegen den Bundeswehrsoldaten Franco A. wird wegen Rechtsterrorverdachts ermittelt.

■ Ein Attentäter erschoss in München im Jahr 2016 auch aus rassistischen Gründen neun Menschen.

■ Der CDU-Politiker Walter Lübcke wurde 2019 getötet. Der Rechtsextremist Stephan Ernst gilt als dringend tatverdächtig.

■ In die Synagoge in Halle versuchte Stephan B. am 9. Oktober 2019 zu stürmen und ermordete zwei Menschen.

■ In Hanau erschoss ein Mann am 19. Februar 2020 in Shisha-Bars neun Menschen und dann seine Mutter und sich selbst. Er hinterließ rassistische Pamphlete.

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