Studie der Uniklinik Hamburg-Eppendorf: Organschäden nach Infektion

Eine neue Studie des Uniklinikums Eppendorf zeigt: Auch milde Corona-Infektionen können Organschäden verursachen. Die Teilnehmenden waren ungeimpft.

Eine Medizinerin misst den Blutdruck eines Patienten.

Wer sich infiziert, sollte auch nach der Genesung seine Gesundheit im Auge behalten Foto: Maurizio Gambarini/dpa

HAMBURG taz | Auch Menschen, die das Coronavirus weniger hart trifft, können Organschäden davontragen. Das zeigt eine Studie des Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), mit der es erstmals die Folgen einer milden Corona-Infektion erforscht hat. Die Ergebnisse wurden am Mittwoch veröffentlicht.

Untersucht wurden 443 Ham­bur­ge­r*in­nen im Alter von 45 bis 74 Jahren. Sie hatten sich in der ersten und zweiten Welle, also bereits 2020, infiziert. Wie bei der Mehrheit der Infizierten in Deutschland verliefen auch ihre Erkrankungen mild: 93 Prozent wurden ambulant behandelt, von ihnen lag niemand auf einer Intensivstation, die meisten litten unter typischen Symptomen wie Fieber. Einige der Teilnehmenden hatten ihre Infektion mit dem Coronavirus gar nicht erst bemerkt.

Rund neun Monate nach ihrer Genesung wurden die Pa­ti­en­t*in­nen einen Tag lang am UKE untersucht. Das Ziel: mögliche Organschäden durch die Infektion entdecken. Von Kopf bis Fuß wurden sie vermessen, Me­di­zi­ne­r*in­nen machten Ultraschall-Aufnahmen ihrer Herzen und Beine, führten Lungenfunktions-Messungen durch und MRT-Scans ihrer Gehirne.

„Um Organschäden auf die Corona-Infektion zurückzuführen, hätte man die Teilnehmenden idealerweise schon vor der Pandemie untersuchen müssen“, sagt Stefan Blankenberg, Professor am UKE und Co-Autor der Studie. So hätte man ihre körperliche Gesundheit vor und nach der Infektion miteinander vergleichen können.

Stefan Blankenberg, Professor am Uniklinikum Eppendorf

„Wir können annehmen, dass die Omikron-Variante ähnliche Organbefälle zur Folge hat“

Stattdessen wurden ihre Daten mit denen einer Kontrollgruppe verglichen: Ausgewählt wurden dafür 1.328 Hamburger*innen, die das UKE bereits vor der Pandemie untersucht hatte. Sie ähnelten den Teilnehmenden in Alter, Geschlecht, Bildung und Einkommen – für einen möglichst genauen Vergleich, ungetrübt von sozialen und demografischen Faktoren. In der Forschung nenne man diese Methode „Matching“, erklärt Blankenberg.

Im Vergleich zur nicht infizierten Kontrollgruppe zeigten sich bei Personen mit überstandener Infektion „Anzeichen mittelfristiger Organschäden“. Ihr Lungenvolumen, die Pumpkraft ihrer Herzen und ihre Nierenfunktion waren reduziert, wenn auch nur geringfügig um zwei Prozent. Die Pa­ti­en­t*in­nen hatten außerdem häufiger Beinvenen-Thrombosen.

Im Alltag bedeute eine eingeschränkte Lungenfunktion zum Beispiel Luftnot bei Belastung, sagt Blankenberg. Beim Sport, beim Tragen schwerer Einkäufe oder Treppensteigen. „Die Niereneinschränkung in dieser minimalen Dimension merkt man eigentlich nicht. Und Beinvenen-Thrombosen fallen bestenfalls auf, wenn die Unterschenkel geschwollen sind.“

Trotzdem können auch solche geringen Schäden gefährlich werden: „Selbst wenn sie unbemerkt bleiben, können sie in zehn, zwanzig Jahren eine eingeschränkte Gesundheit dieser Organe nach sich ziehen“, sagt Blankenberg. Er und seine Kol­le­g*in­nen empfehlen deshalb in ihrer Studie: Alle Infizierten sollten sechs bis neun Monate nach der Genesung zum Hausarzt gehen und mit Bluttests ihre Nieren- und Herzfunktion überprüfen lassen. „Genauso wie man seine Blutfettwerte alle zwei Jahre kontrollieren lässt“, sagt Blankenberg.

Was bedeuten die Ergebnisse nun für die bevorstehende fünfte Welle? In der Studie wurden Pa­ti­en­t*in­nen untersucht, die sich zwischen März und Dezember 2020 infiziert hatten, also zu Zeiten der Alpha- und Beta-Varianten. Rückschlüsse auf Omikron seien spekulativ, sagt Blankenberg. Aber: „Wir können annehmen, dass die Omikron-Variante ähnliche Organbefälle zur Folge hat.“ Zumindest bei Ungeimpften.

Auswirkung bei Geimpften vermutlich geringer

Die Stu­di­en­teil­neh­me­r*in­nen waren nicht geimpft, „sie konnten es damals gar nicht sein“. Was die Ergebnisse für Geimpfte bedeuten, lässt sich mit den Daten des UKE nicht nachweisen. „Wir haben aber die starke Vermutung, dass kein Organbefall bei Geimpften stattfindet“, sagt Blankenberg. „Sie haben meist nur die allerleichtesten Symptome, es existiert nur eine geringe Infektionslast.“

Die Studie wurde im Rahmen der „Hamburg City Health Study“ (HCHS) durchgeführt, nach eigenen Angaben die „größte lokale Gesundheitsstudie der Welt“. Über 30 Institute und Kliniken des UKE arbeiten dabei zusammen, um Volkskrankheiten wie Herzinfarkt, Vorhofflimmern, Herzschwäche, Schlaganfall oder Demenz besser zu verstehen. Und nun eben: Corona.

Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank von den Grünen sagte: „Die HCH-Studie liefert mit ihren vielfältigen epidemiologischen und klinischen Daten wichtige Erkenntnisse über die aktuelle Pandemie und den Umgang mit zukünftigen größeren Infektionsgeschehen.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Die Coronapandemie geht um die Welt. Welche Regionen sind besonders betroffen? Wie ist die Lage in den Kliniken? Den Überblick mit Zahlen und Grafiken finden Sie hier.

▶ Alle Grafiken

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.