Tag der Ar­bei­te­r*in­nen in Hamburg: Neuer Dresscode und alte Konflikte

Am 1. Mai geht´s im Hamburger Villenviertel um Gerechtigkeit. Im Schanzenviertel ist die Polizei der einzig schwarze Block.

1.-Mai-Demo im Hamburger Schanzenviertel.

Der einzige schwarze Block war der, der vor der Demo lief: die Hundertschaften der Hamburger Polizei Foto: Foto: Axel Heimken/dpa

HAMBURG taz | Warum sind Schwangerschaftsabbrüche auch eine Klassenfrage? Welche Perspektiven haben linke Land­wir­t*in­nen auf die Agrarpolitik der EU? Wie können Geflüchtete die Schikanen der Bezahlkarte umgehen? Diese und andere Fragen bildeten inhaltliche Schwerpunkte auf der Demo des Umverteilungsbündnisses „Wer hat der gibt“ in Hamburg.

Mehrere tausend Menschen zogen am Nachmittag vorbei an teuren Alstervillen durch das Hamburger Reichenviertel Harvestehude. Auch in den vergangenen Jahren hatte das Bündnis „Wer hat der gibt“ den Protest zum Tag der Ar­bei­te­r*in­nen in Viertel mit hoher Millionärsdichte getragen, wie etwa Blankenese und Eppendorf. Das Bündnis, das im Jahr 2020 als linke Antwort auf die Coronapandemie entstand, setzt sich für eine gerechteres Steuersystem und gegen exzessiven Reichtum ein.

„Wir habe es satt, dass unsere Gesellschaft zu einem Selbstbedienungsladen für Reiche verkommt!“, sagte der Sprecher des Bündnisses, Ansgar Ridder bei der Auftaktkundgebung am Dammtor. Während Tausende Menschen auf der Straße schliefen, scheffelten andere Millionen. Hart arbeitende Menschen müssten Wohngeld und andere Sozialleistungen beantragen, weil die Mieten und die Lebenshaltungskosten ins Unermessliche stiegen.

Alle Themen finden ihre Demo

„Soziale Ungleichheit müsste zusammen mit der Klimakatastrophe das Top-Thema sein“, kritisierte Ridder. „Die Ampelregierung interessiert sich aber nicht dafür.“ Von der Politik könne man nur noch enttäuscht sein, für Linke gäbe es kaum noch eine wählbare Partei.

In den Demozug unter dem Motto „Wir haben die Scheiße so satt“ sortierten sich sowohl Kli­ma­ak­ti­vis­t*in­nen als auch Geflüchteteninitiativen ein, Mietrechts- und Enteignungs-Initiativen, Fe­mi­nis­t*in­nen und Hafenarbeiter. Damit ist die Demo die spektrenübergreifendste unter den Hamburger Mai-Demos.

Am Mittag waren die An­ar­chis­t*in­nen vom „Schwarz-Roten 1. Mai“ mit 1.600 Personen durch die Sternschanze gezogen. Die An­ti­im­pe­ria­lis­t*in­nen vom „Roten Aufbau“, bei denen sich auch die linken Pa­läs­ti­nen­se­r*in­nen der Gruppe „Thawra“ einsortierten, starteten um 16 Uhr. Das Demo-Motto lautet „Krieg, Krise, Kapitalismus – so wie es ist, darf es nicht bleiben“.

Veränderter Dresscode in Hamburg

Für Überraschung hatten zuvor die An­ar­chis­t*in­nen gesorgt, die dazu aufgerufen hatten, entgegen ihrer Tradition, dieses Mal nicht als Schwarzer Block zu erscheinen. „Anarchismus ist mehr als der schwarze Block“ schrieb das Bündnis „Schwarz roter 1. Mai“ auf seinen Social Media Kanälen. Man wolle Barrieren abbauen und anschlussfähiger sein um vielfältigeren alternative Gesellschaftsentwürfen Ausdruck zu verleihen.

Der veränderte Dresscode ist allerdings auch als Schutzstrategie zu verstehen. Im vergangenen Jahr hatte die Polizei die Anarcho-Demo brutal am losgehen gehindert, ein Demonstrant erlitt ein Schädelhirntrauma. Die heutige Demonstration konnte problemlos starten und zog laut und friedlich durch das Schanzenviertel. Der einzige schwarze Block war der, der vor der Demo lief: die Hundertschaften der Hamburger Polizei.

Am Vorabend waren rund 1.700 Fe­mi­nis­t*in­nen im Rahmen der traditionellen „Take back the Night“-Demos von der Roten Flora zur Reeperbahn gelaufen.

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