Teilrückzug der Soros-Stiftung aus EU: Eine Lücke für Rechtspopulisten

Mit dem Teilrückzug der Open Society Foundations aus Europa fürchten NGOs und Politiker mangelnde Unterstützung für Demokratie.

George Soros mit seinem Sohn Alexander.

George Soros mit seinem Sohn Alexander in einem auf (noch) Twitter geteilten Bild im Februar Foto: Alex Soros via Twitter/reuters

WIEN/BRÜSSEL taz | Die Open Society Foundations (OSF) wird ihre Arbeit innerhalb Europas ab 2024 „extrem limitieren“. Darüber berichtete erst RFE/RL Ungarn Mitte August. Weltweit tätige Organisationen wie Human Rights Watch, Transparency International, Amnesty International werden derzeit von OSF unterstützt.

Auf taz-Anfrage gibt sich die OSF verschlossen über die Hintergründe der aktuellen Entscheidung. Der Großteil der Finanzmittel werde auf „spezifische Wirkungsräume ausgerichtet, die in den kommenden Jahren definiert werden“, heißt es von einem Sprecher. Nur eine konkrete Zahl: Mindestens 40 Prozent des weltweiten Personals soll abgebaut werden.

Die Soros-Stiftung lässt sich nicht in die Karten schauen. Ein anderer Sprecher erklärte lediglich, man werde auch zukünftig zivilgesellschaftliche Gruppen europaweit finanzieren. „Darüber hinaus halten wir an unserer Unterstützung für die europäischen Roma-Gemeinschaften fest“, so der Sprecher. Über nationale Stiftungen will sich die OSF auch künftig für Menschenrechte, Demokratie und verantwortungsvolle Regierungsführung einsetzen. Der Schwerpunkt soll den Angaben zufolge aber wohl in der Ukraine, Moldau, Kirgisistan und den westlichen Balkanstaaten liegen.

Der Teilrückzug dürfte auch damit zu tun haben, dass OSF-Gründer George Soros (93) die Kontrolle über seine Stiftungen an seinen Sohn Alexander (37) übergeben hat. Der will den Fokus auf die USA lenken und eine Wiederwahl Donald Trumps im November 2024 verhindern.

Central European University wird weiterhin unterstützt

Die 1991 gegründete und von Soros finanzierte Central European University (CEU) wird laut jetzigen Infos nicht betroffen sein. „Unser Engagement für die CEU geht weiter“, heißt es vom OSF. Bereits 2018 hat die CEU ihr Hauptquartier von Budapest nach Wien verlegt, infolge zunehmenden politischen Drucks und eines neuen ungarischen Hochschulgesetzes 2017.

Allein in Ungarn: Kaum eine NGO wird derzeit nicht von Open Society Foundations (OSF) befördert – vom kleinen politischen Thinktank über die Menschenrechtsorganisation Hungarian Helsinki Committee bis hin zu einigen der wenigen verbliebenen unabhängigen Medien. Knapp 9 Millionen Euro betrug die OSF-Fördersumme 2021 allein in Ungarn. Die Entscheidung der OSF sei nicht überraschend gekommen, es habe bereits solche Gerüchte gegeben, sagt Jozsef Martin, Direktor von Transparency International (TI) Hungary, der taz.

Die aktuellen Projekte seiner Organisation seien nicht in Gefahr, die Kürzungen sollen aber bereits nächstes Jahr losgehen. Ihm zufolge sei es noch schwer vorherzusagen, wie die Auswirkungen auf die Zivilgesellschaft sein werden. „Vor allem ländliche NGOs werden stark betroffen sein, die sich oft hauptsächlich über die OSF finanzieren“. Die überregionalen Organisationen seien meist breiter aufgestellt, so auch TI, das mit 15 Prozent einen relativ kleinen Teil seines Budgets von OSF bezieht.

Seit Jahren war Soros der deklarierte Staatsfeind von Ministerpräsident Viktor Orbán. Im Wahlkampf 2019 plakatierte die ungarische Regierung flächendeckend Soros in unvorteilhafter Pose. Soros wolle Nationalstaaten auflösen und ihre Bevölkerungen durch Migranten ersetzen, so der Begleittext. Bereits 2015 hatte Orbán „große Geldmänner“ wie Soros für die Migrationskurse verantwortlich gemacht. Dass die Schmutzkübelkampagnen der Regierung der Hauptgrund für den Teilrückzug der OSF waren, glaubt Martin nicht: „Die gab es bereits viele Jahre lang, OSF war jahrelang der Sündenbock Orbáns“. Über die genauen Gründe könne er aber auch nur spekulieren.

Ironischerweise war es Soros, der Orbán in frühen Jahren bei seinem Aufstieg maßgeblich unterstützt hat. Dessen Oppositionspartei Fidesz, kurz vor der Wende 1988 gegründet, war damals radikal-liberal. Soros finanzierte unter anderem eine Parteizeitung und die Büromieten. Viele Parteimitglieder konnten dank OSF-Stipendien ins Ausland gehen, Orbán selbst ging so nach Oxford. Im Zuge seines Umbaus Ungarns zur illiberalen Demokratie ab 2010 machte Orbán Soros zum Feindbild.

Ungünstiger Zeitpunkt für die Europäische Union

Für die Europäische Union (EU) kommt die Ankündigung von OSF zur Unzeit. Knapp ein Jahr vor der Europawahl im Juni 2024, bei der ein weiterer Vormarsch der Rechtspopulisten und EU-Gegner droht, brauchen die Europafreunde jede Unterstützung. Die Soros-Stiftung zählte bisher zu den besten EU-Verbündeten, denn sie unterstützte die Zivilgesellschaft für Grundrechte und europäische Werte in beispielsweise Ungarn, Polen oder der Ukraine. 2021 wurden nach Angaben der Stiftung 209,4 Millionen US-Dollar für Projekte in Europa und Zentralasien ausgegeben. Insbesondere in Ungarn und Polen schreitet der Demokratieabbau in Besorgnis erregendem Tempo voran.

Der angekündigte Rückzug der linksliberalen Gruppe von Stiftungen OSF aus Europa gefährdet viele Projekte, warnt Alberto Alemanno, ein Europarechts-Experte aus Paris. Keine andere Organisation habe mehr für die Zivilgesellschaft in Europa getan. Nun drohten konservative und religiöse Organisationen in die Lücke zu stoßen. Sorgen macht sich auch Daniel Freund, grüner deutscher Europaabgeordneter: „Es ist enttäuschend, dass sich ausgerechnet jetzt einer der wichtigsten Alliierten im Kampf gegen Korruption und Demokratieabbau in weiten Teilen aus Europa zurückzieht.“

Allerdings ist die OSF nicht der einzige Geldgeber – auch die EU hat viele zivilgesellschaftliche Projekte in Europa unterstützt, und die OSF bekam selbst Geld aus Brüssel. Nach Angaben von Budgetkommissar Johannes Hahn flossen im vergangenen Jahr 3,3 Millionen Euro in zwei Projekte in Bulgarien und der Slowakei.

Wird die EU diese Projekte auch künftig fördern bzw. Soros’ Rückzug finanziell ausgleichen? Die EU-Kommission hält sich bedeckt, mehrere taz-Anfragen blieben unbeantwortet. Im beginnenden Europawahlkampf könnte eine Zusage leicht zum Politikum werden.

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