Thaifoodmarkt in Berlin: Demonstrative Ortsbegehung

In dem jahrelangen Konflikt um den Thaimarkt im Preußenpark stellt sich Berlins Integrationsbeauftragte auf die Seite der HändlerInnen.

atarina Niewiedzial, Beauftragte des Berliner Senats für Integration und Migration, sucht sich auf dem Thai-Streetfood-Markt ein Gericht aus

Fester Bestandteil Berlins: der Thai-Streetfood-Markt Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

TAZ BERLIN taz | Berlins Integrationsbeauftragte Katarina Niewiedzial hat sich in die Debatte über den von Schließung bedrohten Thaimarkt im Wilmersdorfer Preußenpark eingeschaltet. „Die Debatte um die Zukunft des Marktes wurde auf dem Rücken der HändlerInnen ausgetragen. Man hat über sie gesprochen, nicht mit ihnen. So funktioniert eine Migrationsgesellschaft nicht“, stellte Niewiedzial klar, als sie am Freitag die beliebte Institution besuchte und mit HändlerInnen, AnwohnerInnen und KommunalpolitikerInnen sprach.

„Der Thailändische Trägerverein hat als Migrantenorganisation den Markt professionalisiert und ist auf Anforderungen von Verwaltung und Politik eingegangen“, so Niewiedzial. Trotz der vorbildlichen Arbeit werde seit der Wahlwiederholung im Februar die Standortfrage gestellt, kritisierte sie. „Das erinnert mich an die Integrationsdebatte. Es heißt: Integriert euch! Die Leute tun alles, aber dann heißt es, sie seien immer noch nicht integriert.“ Niewiedzial sagte, die Politik könne nicht nach jedem Regierungswechsel auf Kosten von Menschen Planungen infrage stellen.

Nicht lange nach der Wiederholungswahl im Februar dieses Jahres hätten die asiatischen Händlerinnen und Händler aus der Presse erfahren, dass die neue schwarz-grüne Zählgemeinschaft in der BVV Charlottenburg-Wilmersdorf den Thaimarkt entgegen jahrelange Planungen aus dem Preußenpark verbannen will, sagte Parichat Pai vom Betreiberverein des Marktes der Integrationsbeauftragten bei ihrem Rundgang. Für die derzeit 44 HändlerInnen aus verschiedenen fernöstlichen Herkunftsstaaten stelle sich damit die Existenzfrage.

„Sie haben ein Reisegewerbe angemeldet, an Schulungen teilgenommen. Wir haben ein Müllkonzept erarbeitet und Tische und Schirme gekauft.“ Der Markt habe mittlerweile einen Strom- und Wasseranschluss. Laut Parichat Pai betreiben nur zwei der HändlerInnen zusätzlich zu ihrem Marktstand ein Restaurant. „Die anderen leben vom Markt.“ Ein Umzug käme Pai zufolge nicht in Betracht, denn „wir gehören hierher“.

Sie zahlen Steuern, entsorgen ihren Müll

Dass der Thaimarkt seit August einen Ableger im Kreuzberger Park am Gleisdreieck habe, tut ihrer Meinung nach nichts zur Sache: Der sei schließlich auf zwei Monate befristet. 2018 gab es erstmals ein Konzept des Bezirksamts Charlottenburg-Wilmersdorf, die Thaiwiese in gesetzliche Bahnen zu lenken. Die verdorrte Wiese wurde wieder Grünfläche, der Markt wurde verkleinert und zog an den Rand. Die Händler meldeten ein Gewerbe an, zahlten Steuern und entsorgten ihren Müll. Keine Partei im Bezirk forderte damals ein Ende des traditionellen Events, obwohl zahlreiche AnwohnerInnen den Park lieber für sich allein haben wollten.

Ein Studentenwettbewerb wurde ausgerufen, und es gewann ein Vorschlag, der ein Multifunktionsgebäude am Rand des Parks vorsah, wo die HändlerInnen ihre Speisen zubereiten und das Geschirr waschen konnten. Bundesmittel wurden bewilligt, um dieses Konzept zu realisieren, mitsamt dem ökologischen Umbau des Parks.

Mit der Wahlwiederholung änderten sich aber die Mehrheitsverhältnisse im Bezirk, und die neue schwarz-grüne Zählgemeinschaft vereinbarte ein Ende des Thaimarkts am jetzigen Standort. „Eine Grünanlage ist für einen regelmäßigen Marktbetrieb in dieser Größenordnung weder rechtlich noch faktisch geeignet“, so der zuständige Stadtrat Oliver Schruoffeneger (Grüne) der taz.

Und: „Die Versuche, Kompromisse zu finden, sind gescheitert.“ Nach Schruoffenegers Vorstellung soll ein neuer Standort in der Nähe gefunden werden, etwa auf einer Straßenfläche. Niewiedzials Marktrundgang hatte der Stadtrat im Vorfeld in einem offenen Brief als „demonstrative Ortsbegehung“ kritisiert, die falsche Erwartungen wecken könne.

Auf dem Rundgang prallten dann auch die unterschiedlichen Wünsche an den Preußenpark aufeinander. Für die Leute, die auf der Wiese saßen und sich Papayasalat und Teigtaschen schmecken ließen, war ganz klar: Der Markt muss bleiben und am besten nicht nur von Freitag bis Sonntag, sondern die ganze Woche über stattfinden. Etliche von ihnen arbeiten in der Nähe in einem Büro und verbringen hier ihre Mittagspause.

Eine „Landnahme“?

Eine Handvoll AnwohnerInnen, die gekommen waren, sahen das völlig anders: Sie wollen ihre Grünfläche nicht mit TouristInnen und BerlinerInnen aus anderen Bezirken teilen. Jeder Quadratmeter Grün in der Innenstadt sei kostbar, hieß es. Ein Mann sprach von „Landnahme“, eine Frau klagte, sie könne hier wegen der vielen Menschen an den Wochenenden nicht mehr joggen. Das allerdings ist eine Erfahrung, die man auch anderswo macht, sei es im Treptower Park oder im Mauerpark.

Einige SPD-Bezirksverordnete, die gekommen waren, sagten, der derzeitige Schotterplatz mit dem Thaimarkt sei nur ein Provisorium, die Fläche werde künftig begrünt. Weil die schwarz-grüne Zählgemeinschaft das beschlossene Konzept in Frage stelle, ruhten die Planungen dafür aber weitgehend, obwohl sich 38.000 Menschen in einer Petition online und auf Papier für den Erhalt des Marktes ausgesprochen hatten.

„Anders als Herr Schruoffeneger sagt, kann man Grünfläche und Kultur zusammendenken“, sagt Claudia Buss von der SPD. Ein Bezirksverordneter der FDP fordert, die Attraktion Thaimarkt zu fördern statt zu behindern: „Sonst haben wir bald wieder illegale Zustände.“ Auf Antrag seiner Partei habe der Bund 5,8 Millionen Fördermittel für den Umbau des Parks bereitgestellt. Das Geld liege aber brach, weil Schwarz-Grün im Bezirk blockiere.

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