Tüftler arbeiten an Satelliten-Netz: Ein Internet für Hacker

Zensur und Überwachung haben den Traum freier Kommunikation im Netz zerstört. Deshalb basteln Hacker inzwischen an einer eigenen, abgespeckten Version des Internets.

Hoch im All und damit für Regierungen unerreichbar: So stellen sich Hacker die Basis eines eigenen Internets vor. Bild: dadp/EADS Astrium dapd

BERLIN taz | Es ist der alte Traum der Hacker: Kommunikation über ein freies, überall erreichbares Netz, ungestört von Regierung und Konzernen. Drei Informatiker aus Stuttgart haben nun konkret damit begonnen, die technischen Voraussetzungen zu schaffen: Sie nennen es Hackerspace Global Grid.

Der Wunsch nach eigenen Kommunikationsstrukturen war eines der großen Themen auf dem Chaos Communication Congress im Dezember. Dort hatte der US-Amerikaner Nick Farr die fortschreitende Zensur des Internets beklagt. Ein eigenes und vor allem nicht zu zensierendes Netz müsse daher errichtet werden.

Das Netz solle nicht abschaltbar und von überall erreichbar sein – und daher auf Satelliten basieren. Außerdem, so Farr, sollte in spätestens 23 Jahren ein Hacker den Mond betreten. Ganz neu ist die Idee nicht, erstmals wurde im August 2011 ein eigenes Satellitenprogramm für die Hacker-Szene gefordert.

Den Plan mit dem Mann auf dem Mond betrachtet der Hacker Gregor Jehle als "leicht überspitzt." Aber die Idee eines unabhängigen Kommunikationsnetzes begeisterte den Informatiker. So begannen er und zwei Kollegen in Stuttgart kurzerhand mit der Arbeit an ihrem Hackerspace Global Grid. Aber nicht in extraterrestrischen Sphären. Jehle und seine Kollegen starteten erst einmal am Boden.

Ziel von Gregor Jehle ist es, ein globales Netzwerk an Bodenstationen zu errichten, die über Amateurfunk-Satelliten kommunizieren können. Es soll unabhängig von der NASA, privaten Firmen und Glasfaserkabeln funktionieren, um Überwachung und Kontrolle unmöglich zu machen. Außerdem soll das Netz im Fall einer Naturkatastrophe funktionsfähig bleiben, da es simpler – und somit robuster – als die komplizierten öffentlichen Netze sein soll.

Bodenstationen und Basiskommunikation

Aber statt Naturkatastrophen müssen sich die Stuttgarter erst einmal mit anderen Problemen auseinandersetzen: Wie empfängt man Satellitensignale? Wie baut man Bodenstationen? Und wie kommuniziert man Daten von A nach B? Dabei geht es nicht um gewaltige Bandbreiten, die in der Lage sind, Videos oder das Album der Lieblingsband zu streamen.

Es geht um geringe Datenmengen, Basiskommunikation wie auf Twitter und Co. "Rauschen", wie Gregor Jehle es nennt. Trotzdem ist dies keine leichte Aufgabe, denn bislang kann der Prototyp der Stuttgarter Bodenstation nur Flugzeuge orten, nicht aber Daten empfangen oder verschicken.

Jehles Optimismus ist trotzdem nicht zu bremsen: Schon in den nächsten Monaten sollen die ersten kommunikationsfähigen Bodenstationen fertig gestellt werden. Beim Chaos Communication Congress Ende des Jahres 2012 sollen dann die funktionstüchtigen Geräte und deren Baupläne verteilt werden, um so die Entstehung eines weltweiten Netz voranzutreiben. Jeder, der nicht schon mit einem Ikea-Bauplan überfordert ist, soll hgg:mitmachen können.

Ganz so abstrus, wie er auf den ersten Blick klingt, ist der Plan der Stuttgarter übrigens nicht. Amateurfunker nutzen dieselbe Technologie, wenn auch weniger flächendeckend. Und die US-amerikanische Radio Amateur Satellite Corporation schickt schon seit 1961 eigene Satelliten ins All.

Auch hinter der Idee, ein unabhängiges satellitengestütztes Netz zu erstellen, steckt mehr als Hobbybastelei und technische Selbstverwirklichung. Denn der Plan folgt einer alten Maxime: Schon die Gründer des Internets hatten ein Netz im Hinterkopf, an dem sich jeder beteiligen und ungestört kommunizieren konnte – ohne, dass sich jemand einmischte und regulierte.

Und der Mann im Mond? Das haben bislang nur die Amerikaner mit einer unglaublichen staatlichen Anstrengung geschafft. Aber Nick Farr will trotzdem einen Weg finden. Und auch Gregor Jehle glaubt fest daran, dass es möglich ist. Erst einmal will er sich aber weiter mit Bodenstationen befassen. "Bis dahin", sagt Jehle, "bleibt der Hacker auf dem Mond eben das große Ziel vor Augen".

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