US-Außenminister in China: Ein zaghafter Schritt

Chinas Staatschef Xi Jinping empfängt US-Außenminister Blinken - schon das ist ein gute Nachricht. Die Liste der Streitthemen bleibt aber lang.

Zwei Männer reichen sich die Hand

Chinas Außenminister Wang Yi (rechts) und US-Amtskollege Antony Blinken in Peking Foto: Leah Millis/ap

Antony Blinkens Pekingbesuch hat mehr denn je offengelegt, dass hier zwei sehr unterschiedliche Systeme aufeinandertreffen: Auf der einen Seite ein US-Außenminister, der sich mit einem lockeren Scherz auf den Lippen den kritischen Fragen der Presse stellt. Auf der anderen Seite Xi Jinping, ein zutiefst paranoider Autokrat, der selbst sein Treffen mit dem angereisten Gast aus Washington bis zur letzten Sekunde geheim hält.

Aber die gute Nachricht ist: Die zwei Weltmächte sind sich trotz massiver Differenzen zumindest darin einig, dass sie gemeinsam miteinander auskommen müssen. Die vergangenen zwei Tage bildeten dafür einen zaghaften Schritt in die richtige Richtung: Allein, dass sich Xi überhaupt persönlich mit dem formell niedriger gestellten Blinken traf, ist als Geste des guten Willens zu verstehen. Doch Peking hat während der Arbeitsgespräche auch immer wieder seine politischen Zähne gefletscht.

Insbesondere Wang Yi, der führende Außenpolitiker des Landes, trat als nationalistischer Wolfskrieger auf: Sein rhetorisches Repertoire scheint nur aus Schuldzuweisungen an Washington zu bestehen, während ihm Selbstkritik ein Fremdwort bleibt. Angesichts der derzeitigen Spannungen ist mehr als eine vorsichtige Annäherung ohnehin utopisch. Denn die Liste an Streitthemen ist schier endlos, und bei den Kernfragen können selbst Experten mit lebhafter Fantasie keine Kompromisslösungen am diplomatischen Horizont erkennen. Zu verhärtet sind die gegenseitigen Fronten: angefangen beim Handelskrieg über Menschenrechtsfragen bis hin zur chinesischen Haltung gegenüber Russland.

Am brisantesten ist jedoch zweifelsohne der Taiwankonflikt, der zuletzt wieder hochkochte. Umso ernüchternder ist es, dass Peking laut Angaben von Blinken einem direkten Kommunikationskanal zwischen den zwei Armeen nicht zugestimmt hat. Künftig also wird die Weltgemeinschaft erneut zittern müssen, wenn es rund um die Insel Taiwan wieder zu unvorhergesehenen Eskalationen und Fehlkalkulationen kommen sollte.

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Seit 2019 China-Korrespondent mit Sitz in Peking. Arbeitete zuvor fünf Jahre lang als freier Journalist für deutschsprachige Medien in Seoul, Südkorea. 2015 folgte die erste Buchveröffentlichung "So etwas wie Glück" (erschienen im Rowohlt Verlag), das die Fluchtgeschichte der Nordkoreanerin Choi Yeong Ok nacherzählt. Geboren in Berlin, Studium in Wien, Shanghai und Seoul.

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