Übermüdete Eltern: Genieß es!

Mamasein heißt oft, ein schlechtes Gewissen zu haben. Weil es sich nie nach Vereinbarkeit anfühlt, sondern immer nach zu viel von allem.

Ein überfüllter Wäschekorb steht auf einem Bügelbrett

Um das Bett herum stehen fünf Ladungen Wäsche, die gefaltet und weggeräumt werden müssten Foto: Westend61/getty images

Ich feiere heute mein 4-jähriges Mamasein. Also „feiern“. Es sprangen bis eben vier Kinder durch die Wohnung, erzeugten ohrenbetäubenden Lärm, bei dem man nie sicher sein kann, ob sie spielen oder sich an die Gurgel gehen. Eigentlich wollten wir das ganze draußen veranstalten, aber es war Gewitter angesagt. Also dachten wir: Hey, wir verschieben die Feier draußen um eine Woche. Und die Kinder, die nächste Woche nicht können, kommen einfach heute. Sie gehen alle in eine Kita-Gruppe, also so viel Coronarisiko wie an jedem anderen Tag.

Super Idee. Irgendwann hab ich verstanden, dass ich den Stress so nicht geteilt, sondern verdoppelt habe. Aber das Kind ist glücklich. Als ich ihn gefragt habe, wen er einladen will und er zehn Kinder aufgezählt hat, war mein erster Gedanke: „Haha. Nein.“ Aber dann kam mir, dass er auf so vieles verzichten musste in den vergangenen 1,5 Jahren. All die verpassten Playdates, Ausflüge, Partys und Übernachtungen. Also gut.

Vier Jahre. Oft hab ich ein schlechtes Gewissen. Weil ich zu wenig Geduld habe, zu oft Nein sage, nicht immer schaffe, was ich mir vornehme. Weil ich zu viel arbeite, zu viel aufräume, zu müde bin. Weil es sich nie nach Vereinbarkeit anfühlt, sondern immer nach zu viel von allem. Weil ich nicht genug Geld habe, die Situation zu ändern, weil ich politischen Widerstand leisten müsste. Und natürlich: Weil ich es nicht genug genieße. Einer der schlimmsten Sprüche von Eltern für Eltern: „Genieß es. Es geht so schnell vorbei.“

Da krieg ich sofort Schweißperlen auf der Stirn. Denn ich weiß doch gar nicht wie? Also ja, manchmal, da ist alles schön für einen Moment. Keiner brüllt, muss Pipi, hat Hunger, sich wehgetan, will kuscheln, ist müde. Keiner hat Sand im Auge, die Klopapierrolle ins Klo gesteckt oder den Tisch mit Butter einbalsamiert.

Wäsche und Wutanfälle

Aber die meisten Momente sind halt so wie dieser hier gerade: Ich liege neben dem Baby im Bett, es hat sich den heutigen Besuch von der Seele gebrüllt, hat getrunken, ist eingeschlafen. Um das Bett herum stehen fünf Ladungen Wäsche, die gefaltet und weggeräumt werden müssten. Draußen schüttet es immer noch, ich denke kurz an die Wäsche auf dem Balkon, aber egal. Im Wohnzimmer hat der jetzt Vierjährige einen Wutanfall, irgendwas bestimmtes wollte er noch machen, aber der Tag ist vorbei.

Der Vater besänftigt ihn, bringt die durchgerockte Wohnung in passablen Zustand, während er das Badewasser einlässt. Ich schreibe meine Kolumne in der Dunkelheit auf dem Handy. Mir sausen die Ohren.

Eigentlich wollte ich gar nicht über Kindergeburtstage schreiben, sondern darüber, dass die Coronapolitik die Kinder weiterhin ignoriert. Darüber, dass ich Angst vor dem Herbst und dem Winter habe. Dass ich hoffe, nie ein schlechtes Gewissen haben zu müssen, weil ich meine Kinder nicht genug geschützt habe. Und hoffe, dass ich auch nach fünf Jahren Mamasein noch zwei glückliche Kinder habe. Aber das alles schaff ich gerade nicht. Also genieß ich das jetzt mal.

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Schreibt über Gesellschaft, Politik, Medien und manchmal über Österreich. Kolumne "Kinderspiel". War 2013 Volontärin der taz panter-Stiftung, dann taz-Redakteurin. Von 2019 bis 2022 Ressortleiterin des Gesellschafts- und Medienressorts taz zwei. Lebt und arbeitet in Wien.

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