Ukrainischer Fußballstar wird Sanitäter: Krieg und Spiele

Der ukrainische Ex-Fußballnationalspieler Waschtschuk beschloss, seine Wut auf die russische Besatzung zu kanalisieren. Er wechselte zum Militär.

Ein Fußballer deutet mit der Hand

Waschtschuk gibt Anweisungen: WM 2006, Achtelfinale gegen die Schweiz Foto: imago

LUZK taz | Das Haus von Wladyslaw Waschtschuk steht im schönen und stolzen Hostomel. Dort hat sich der ehemalige Kapitän von Dynamo Kyjiw und 63-fache ukrainische Nationalspieler zum Ende seiner Karriere niedergelassen.

Die Stadt in der Nähe von Kyjiw erlebte gleich zu Beginn des Kriegs ein wahres Inferno. Nach russischen Plänen sollten zur Vorbereitung der Eroberung der Hauptstadt auf dem örtlichen Flughafen Truppen landen. Es ist zu heftigen Kämpfen gekommen.

Wladyslaw Waschtschuk

Ich mache das für die Zukunft meiner Kinder

Als die Landebahnen unbrauchbar gemacht worden waren, zogen sich die ukrainischen Truppen zurück. Hostomel wurde besetzt.

Waschtschuk versuchte in den ersten Stunden nach der Bombardierung der Stadt am 24. Februar nach Kyjiw zu gelangen. Doch die Hauptstadt war bereits eingeschlossen. Zusammen mit seinen Kindern – einer Tochter und einem Sohn im Teenageralter – versteckte sich der ehemalige Fußballprofi im Keller seines Hauses. Raketen und Flugkörper flogen über die Dächer von Hostomel. Einer der Bombenangriffe dauerte 16 Stunden.

Flucht vor dem Krieg

Die Waschtschuks verließen während der ganzen Zeit der Besetzung ihre Keller nicht. Sie ernährten sich von Lebensmittelvorräten und dem, was Nachbarn ihnen gaben. „Ich wurde durch einen Vorrat an Kaffee unterstützt, das hielt mich wach. Vor allem um die Kinder habe ich mir Sorgen gemacht. Wasser habe ich bei einem Nachbarn geholt, der einen Generator hatte. Ich habe Benzin besorgt und konnte unsere Handys aufladen. Ich achtete dabei immer darauf, dass im Auto ein Minimum an Benzin für eine Evakuierung vorhanden war“, erinnert sich Waschtschuk.

Nach einer besonders schwierigen Nacht machte sich Waschtschuk, der Verzweiflung nahe, zusammen mit anderen Bewohnern von Hostomel auf den Weg zu einem möglichen Evakuierungsort in der Nähe von Kyjiw. Sie wurden von einem russischen Panzer überholt. Augenblicke später detonierte eine Mine, die Straße war nicht mehr befahrbar. Sie mussten umkehren.

Am 10. März nutzte Waschtschuk die nächste Gelegenheit zur Flucht. Die Kinder befestigten weiße Laken an den Autofenstern. Waschtschuk fuhr an der Spitze eines Evakuierungskonvois. Es gelang ihm, vier russische Kontrollpunkte zu passieren und Kyjiw zu erreichen. Später kehrte er zurück und fuhr seine Ex-Frau und deren Großmutter aus der Besatzungszone. Ein paar Tage später drangen 15 russische Soldaten in zwei gepanzerten Fahrzeugen in Waschtschuks Grundstück ein. Sie durchwühlten das Haus, plünderten und nahmen auch all seine Trophäen und Medaillen mit.

Eintritt in die Armee

„Mein ganzes Leben lang habe ich mich nur auf Russisch verständigt. Nachdem ich die Besatzung überstanden hatte, beschloss ich, nur noch Ukrainisch zu sprechen“, sagte Wladys­law Waschtschuk nach seiner Flucht. Wie viele andere ehemalige ukrainische Fußballstars beschloss er, der Armee zu helfen.

Er bestritt Dutzende von Benefizspielen zugunsten der Armee. Bei einem Turnier traf er mit seinem Team auf die Mannschaft der Angriffsbrigade „Burewij“. Der Kommandant der Einheit schlug Waschtschuk vor, als Sanitäter zu dienen. Waschtschuk beschloss, seinen Hass auf die Russen zu kanalisieren, und trat in die Armee ein. Im Frühjahr 2023 dann trat der ehemalige Viertelfinalist der WM 2006 in Deutschland, der Champions-League-Halbfinalist 1999 und neunfache ukrainische Meister, in die Nationalgarde ein.

„Der Name der Einheit hat mir schon mal gefallen: Offensive Guard. Mir wurde schon als Fußballer immer beigebracht anzugreifen. Dynamo hat schnellen Fußball gespielt. Und jetzt geht es darum, die Offensive der ukrainischen Armee zu beschleunigen. Wenn du schnell bist, gewinnst du“, sagt Waschtschuk.

Seit seiner Ausbildung dient der 48-Jährige als Sanitäter im Verwundetentransport. Im Einberufungsamt hätten sie ihn gefragt: „Wozu brauchst du das, Wlad? Was willst du dort machen?“ Er mache das für die Zukunft seiner Kinder, habe er geantwortet. Inzwischen war er an drei Evakuierungsaktionen für Kameraden beteiligt.

Benefizspiele für den Sieg

Auch der Tod von Serhiy Balan­tschuk an der Front, mit dem er in der Dynamo-Fußballschule gespielt hatte, beeinflusste Waschtschuks Entscheidung, sich zu verpflichten.

Balantschuk spielte lange in Israel, holte mit Maccabi Haifa den Pokal. 2022 wurde er eingezogen und fiel schon im Juli des vergangenen Jahres in der Nähe von Bachmut.

Die Brigade, in der er dient, ist zwar in der Nähe von Kyjiw stationiert, führt aber teilweise auch Kampfeinsätze an Orten durch, an denen die Gegenoffensive vorangetrieben wird. Von dort aus müssen dann die Verwundeten evakuiert werden. Waschtschuk kümmert sich um die Verwundeten. „Wie früher beim Fußball kommt es auch jetzt auf Sekunden an“, sagt er.

Unterdessen bestreitet Waschtschuk weiter Benefizspiele mit anderen Stars des ukrainischen Fußballs. Seine Befehlshaber geben ihm dann ein paar Tage frei. Auch Wohltätigkeitsspiele brächten die Ukraine dem Sieg näher.

Übersetzung: Andreas Rüttenauer

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