Umstrittene Bilanz beim Gewässerschutz: Zu wenig Geld fürs Wasser

Beim Gewässerschutz liegt vieles im Argen, sagen UmweltschützerInnen. Wir tun schon ganz viel, sagt die grüne Senatsverwaltung. Recht haben beide.

Kleiner Flusslauf vor Bäumen und untergehender Sonne

Selbst hier täuscht das Bild: Auch das Tegeler Fließ ist noch nicht im „ökologisch guten Zustand“ Foto: IMAGO / Shotshop

„Ernüchternd“ findet der Berliner Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) die Bilanz des ersten (und vielleicht einzigen) Jahres Rot-Grün-Rot in Sachen Gewässerpolitik. Der Senat habe durchaus verstanden, worum es geht, aber nur punktuell und „ansatzweise“ etwas erreicht. „Ein wichtiges Jahr zum Handeln wurde vertan“, finden die Umwelt- und NaturschützerInnen, die klar im Vorteil sind, wenn es darum geht, die Ziele dieses Handelns zu definieren. Das hat nämlich im Jahr 2000 die Europäische Union erledigt: mit der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL), die klare Ansagen macht, wohin der Weg geht.

Das Problem: Die WRRL fordert die komplette Heilung der in den vergangenen 100 oder 200 Jahren entstandenen Umweltschäden an Europas Gewässern in einem extrem knappen Zeitfenster von zwei bis drei Jahrzehnten. Das ist in der Sache so begrüßenswert, wie in der Praxis illusorisch. Berlin ist auch bei weitem nicht die einzige europäische Region, die die Ziele – je nach Wasserkörper ein „guter ökologischer“, „guter chemischer“ oder „guter mengenmäßiger Zustand“ – nicht bis zur ursprünglichen Deadline 2015 erreicht hat und auch in der Verlängerung bis 2027 nicht erreichen wird. Kein einziges deutsches Bundesland wird das schaffen.

Die Umweltverwaltung unter der Leitung von Senatorin Bettina Jarasch (Grüne) weist denn auch auf dieses Dilemma hin: Die WRRL-Ziele zu erreichen, sei dem Haus „ein wichtiges Anliegen, auch wenn es länger dauert“, heißt es auf Nachfrage der taz, aber die äußerst ambitionierten Anforderungen träfen in Berlin nun einmal auf ein „hochurbanes, vielfältig genutztes Gewässersystem“. Das stimmt und lässt sich nicht wegdiskutieren.

Es wird auch durchaus einiges getan. Nur ein Beispiel: Allein 100 Millionen Euro hat das Land in die Schaffung von zusätzlichem unterirdischen Stauraum gesteckt. Dort kann nach Unwettern die Mischung aus Regen und Abwasser zwischengeparkt werden, die sonst teilweise in der Spree oder dem Landwehrkanal überläuft und für Fischsterben sorgt. Nur: Um selbst sintflutartige Niederschläge auffangen zu können, wie sie etwa im Juli 2017 niedergingen, müsste man die halbe Innenstadt untertunneln, was weder logistisch noch finanziell leistbar wäre. Die sogenannte Mischwasserkanalisation ist eben ein problematisches historisches Erbe.

Hier haken die KritikerInnen wieder ein: 100 Millionen sind eine Menge Geld, sie aber ziehen den Vergleich zu den Anstrengungen, die das Land etwa beim Bau des verkorksten Flughafens BER unternommen hat. Da flossen weitaus höhere Summen – und lebenswichtig wie das Wasser, das uns umgibt, ist ein solches Infrastruktur- und Renommee-Projekt ganz sicher nicht. Als europäische Richtlinie ist die Umsetzung der WRRL im Übrigen verbindlich.

Unklare Kosten

Auch darüber hinaus ist die Liste der Versäumnisse, die der BUND dem Senat und seiner grünen Umweltverwaltung ausstellt, lang: Es gebe immer noch keine Aufstellung, was eine Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie überhaupt kostet und wie viel Personal in den kommenden Jahren dafür benötigt wird. Es gebe keine gesetzliche Initiative, um einen Mindestpegel des Grundwassers zu sichern, obwohl das Problem nach etlichen Dürrejahren auf der Hand liegt.

Im Einzugsbereich der Wasserwerke trockneten geschützte Wald- und Moorgebiete aus. Es sei weiterhin offen, wann Großverbraucher wie Heizkraftwerke ein Entgelt für die Entnahme von Flusswasser zahlen müssten, und auch eine Gebührenstaffelung, um überdimensionierten privaten Verbrauch (Swimmingpools!) einzuschränken, sei nicht in Sicht.

Was die Kosten angeht, sagt die Senatsverwaltung: Extrem schwierig, das präzise zu kalkulieren. Von einer halben Milliarde Euro ist die Rede – als „grobe Schätzung“ mit „hohen Unsicherheiten“. Zu den Kosten für Monitoring und Öffentlichkeitsarbeit oder zu den Ressourcen, die die Bezirke für die Kleingewässer aufbringen müssen, die in ihrem Verantwortungsbereich liegen, lasse sich noch gar nichts Belastbares sagen.

Jaraschs Haus verweist darüber hinaus auf den „Masterplan Wasser“, mit dem man der verschärften Knappheit entgegentreten will. Mit Maßnahmen wie dem weiteren Ausbau der Klärwerke, der dezentralen Regenwasserbewirtschaftung und Entsiegelung („Schwammstadt-Prinzip“), der Reaktivierung stillgelegter Wasserwerke, der künstlichen Anreicherung von Grundwasser oder dem Umbau der Berliner Forsten zu speicherfähigen Mischwäldern. Mit der anstehenden Novellierung des Berliner Wassergesetzes solle auch das eingeforderte Oberflächenwasser-Entnahmeentgelt kommen.

Das Bild, das sich ergibt, ähnelt der Situation beim Klimaschutz: AktivistInnen und politisch Verantwortliche wollen eigentlich dasselbe, nur pochen die einen auf drängende Notwendigkeiten, während die anderen auf begrenzte Möglichkeiten verweisen. Beim Thema Geld lässt sich eines allerdings nicht bestreiten: Wäre der Politik – und uns WählerInnen– der Umwelt- und Naturschutz mehr wert, ginge alles viel schneller.

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Jahrgang 1969, lebt seit 1991 in Berlin. Seit 2001 arbeitet er mit Unterbrechungen bei der taz Berlin, mittlerweile als Redakteur für die Themen Umwelt, Mobilität, Natur- und Klimaschutz.

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