Unschlüssige Kommunalwahl: Niemand gewinnt in Niedersachsen

Es gibt nur Wahlverlierer zwischen Harz und Nordsee: CDU und SPD und Grüne verbuchen Verluste. Die AfD erringt mancherorts nur fünf Prozent der Stimmen

Ein Bild der Trostlosigkeit: das vernagelte Hertie-Kaufhaus in Delmenhorst. Hier räumte die AfD ab und holte 15 Prozent der Stimmen Foto: Carmen Jaspersen/dpa

HANNOVER taz | Emden ist auch nicht mehr das, was es seit Gründung der Bundesrepublik war. Bei der Kommunalwahl am Sonntag erlebte die SPD in einer ihrer bundesweit größten Hochburgen ein Debakel. Egal, ob der Bundestag, Landtag oder das Kommunalparlament gewählt wurde – in der stolzen Arbeiterstadt an der Emsmündung stimmte stets mehr als die Hälfte der Wähler für die SPD. Nicht so am Sonntag: Statt 51,5 Prozent wie bei der Kommunalwahl 2011 kam die SPD nur noch auf 30,8 Prozent in der 50.000-Einwohner-Stadt. Landesweit verloren die Sozialdemokraten im Schnitt 3,7 Prozentpunkte, in Emden dagegen gleich 20,7.

Abgeräumt hat dort die erst im Frühjahr gegründete lokale Wählergemeinschaft „Gemeinsam für Emden“ (GfE). Die nur 30 Mitglieder starke Gruppe sammelte die Protestwähler ein und holte aus dem Stand 20,1 Prozent. Niedersachsens SPD-Generalsekretär Detlef Tanke beschwichtigt: „In Emden hat es möglicherweise lokale Probleme gegeben.“

Das mag stimmen, dennoch haben außer der SPD auch CDU und Grüne sowohl in Emden wie auch flächendeckend Verluste einstecken müssen. Trotz Verlusten von 2,6 Prozentpunkten im Vergleich mit den Kommunalwahlen von 2011 ist die CDU landesweit mit 34,4 Prozent stärkste Partei geblieben. Die SPD sackte auf nur noch 31,2 Prozent (-3,7), die Grünen erzielen mit 10,9 (-3,4) ihr immerhin zweitbestes Ergebnis nach dem Wahlgang vor fünf Jahren kurz nach Fukushima. Die FDP mit 4,8 (+1,4) und die Linkspartei mit 3,3 Prozent (+0,9) stabilisierten sich.

Die AfD hingegen blieb mit landesweit 7,8 Prozent deutlich unter ihrem angepeilten zweistelligen Ergebnis. Den erhofften Durchbruch schafften die Rechtspopulisten nicht, obwohl sie mancherorts zweistellige Ergebnisse erreichten. So kam die AfD in Delmenhorst auf 15,1 Prozent. Das aber lag auch an der geringen Wahlbeteiligung von nur 44,8 Prozent, der niedrigsten im ganzen Land. Die AfD kündigte an, die Wahl in mehreren Orten anfechten zu wollen, weil viele ihrer Wahlplakate abgerissen worden sein sollen.

Zu den Kommunalwahlen in Niedersachsen waren rund 6,46 Millionen Menschen aufgerufen, darunter etwa 302.000 EU-Bürger. Das Mindestwahlalter auf kommunaler Ebene liegt bei 16 Jahren.

Immerhin 55,5 Prozent gingen auch zur Wahl, 2011 waren es nur 52,5 Prozent gewesen.

Zur Wahl für die 2.125 kommunalen Vertretungen stellten sich 25 Parteien sowie mehrere Wählergruppen und etliche Einzelkandidaten. Zeitgleich wurden in 37 Kommunen und Kreisen Landräte und Bürgermeister direkt gewählt.

Insgesamt kandidierten 66.939 BewerberInnen um ein Amt oder einen Sitz.

Die Rechtspopulisten traten im Übrigen in vielen Kommunen gar nicht an, weil sie es nicht rechtzeitig und ordnungsgemäß geschafft hatten, Listen und Kandidaten aufzustellen. In mehreren Fällen ging das zu Gunsten der AfD-Abspaltung Alfa aus, die unter anderem in den Stadtrat von Hann. Münden einzog. Aber auch die NPD konnte von der Abwesenheit der AfD profitieren: So hat sie weiterhin einen Sitz im Gemeinderat des Harz-Kurortes Bad Lauterberg.

Bei den parallel stattfindenden Landratswahlen in den vier Landkreisen Leer, Wittmund, Hildesheim und Peine konnten sich die SPD-Bewerber durchsetzen. In Göttingen verfehlte Amtsinhaber Bernhard Reuter (SPD) knapp die absolute Mehrheit und muss gegen den Zweitplatzierten Ludwig Theuvsen (CDU) am 25. September in die Stichwahl. Auch bei der Oberbürgermeisterwahl in Celle wird es eine Stichwahl geben.

Insgesamt konnten die Sozialdemokraten bei zehn der 37 Direktwahlen zu Landräten und Bürgermeistern gewinnen. Ebenso gewannen zehn Bewerber, die nicht von Parteien aufgestellt worden waren. Die CDU errang zwei Siege. Auf der Insel Juist setzte sich der Kandidat der Wählergruppe Pro Juist durch.

Die CDU kam in Wilhelmshaven auf 20,2 Prozent – 13,2 Prozentpunkte weniger als 2011. In Braunschweig, wo die SPD mit 33 Prozent erstmals seit 40 Jahren wieder stärkste politische Kraft wurde, sackte die CDU um ein Drittel auf 26,2 Prozent, in der CDU-Hochburg Cloppenburg machten die Verluste 6,8 Prozentpunkte aus.

Einen Sonderweg beschritt das „Bioenergiedorf“ Jühnde bei Göttingen. Weil sich immer weniger BürgerInnen für Parteien interessierten, so die Begründung, traten diese am Sonntag gar nicht mehr an, sondern eine gemeinsame Bürgerliste mit zwölf parteilosen und parteigebundenen KandidatInnen. Das Ergebnis: 100 Prozent und alle elf Sitze.

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