Vatikangericht verurteilt Kardinal: Kardinal, Korruption und Knast

Erstmals wird ein Kardinal im Vatikanstaat zu einer Haftstrafe verurteilt. Ein krummer Immobiliendeal soll den Vatikan 140 Millionen gekostet haben.

Reporter schauen im Pressesaal des Vatikans auf einen Bildschirm, auf dem der Präsident des Vatikan-Gerichtshofs spricht

Reporter verfolgen die Urteilsverkündung im Fall Kardinal Angelo Becciu im Pressesaal des Vatikans am 16. Dezember Foto: Andrew Medichini/AP

ROM taz | Fünf Jahre und sechs Monate Haft für den Kardinal Angelo Becciu, verhängt vom Gerichtshof des Vatikanstaats: Das Urteil, das am Samstag erging, ist historisch. Nie zuvor in der Geschichte der Katholischen Kirche hat die Vatikanjustiz einem Kardinal den Prozess gemacht, nie zuvor eine solche Strafe verhängt.

Becciu war wegen Unterschlagung und schweren Betrugs vor Gericht, da er einen krummen Immobiliendeal in London zu verantworten hatte, der laut Anklage ein Loch von mehr als 140 Millionen Euro in die Kasse des Vatikans riss. Seit 2011 war der 75-Jährige, noch berufen von Papst Ratzinger, die Nummer zwei im Staatssekretariat und damit einer der mächtigsten Männer der Kurie. Er galt dann als einer der engsten Vertrauten des seit 2013 amtierenden Papstes Franziskus, gar als möglicher zukünftiger Papst.

Daraus wird wohl nichts, denn das jetzt ergangene Urteil untersagt ihm auf Dauer die Übernahme öffentlicher Ämter. Zum Verhängnis wurde Becciu, dass er in den Jahren 2014 bis 2018 die Investition von insgesamt 350 Millionen Euro aus der Kasse des Staatssekretariats in einen Hedgefonds veranlasst hatte, der mit diesen Geldern wiederum ein früheres Harrods-Kaufhaus im Londoner Stadtteil Chelsea erwarb.

Allein an Beraterhonoraren für die Abwicklung der Geschäfte sollen rund 100 Millionen Euro an diverse Manager geflossen sein. Während sie sich eine goldene Nase verdienten, blieb der Verlust am Ende beim Vatikan hängen; nach dem Ausstieg aus der Immobilie belief sich das Minus auf 140, womöglich laut Anklage gar auf 190 Millionen Euro, finanziert aus jener Vatikanschatulle, in die auch der „Peterspfennig“ fließt, sprich die weltweit eingenommenen Spenden der Gläubigen, die eigentlich karitativen Zwecken dienen sollen.

Luxus-Shoppingstouren für Handtaschen und Designermöbel

Neben diesem Deal wurde Becciu jedoch auch vorgeworfen, dass er aus der von ihm verwalteten Kasse 125.000 Euro an eine gemeinnützige Kooperative auf Sardinien überwiesen hatte – deren Leiter niemand anderes war als Beccius Bruder Antonino.

Zudem machte der Kardinal 570.000 Euro für eine Mit­an­ge­klagte locker, die das Geld angeblich nutzen sollte, um eine in Mali entführte Nonne freizukaufen, es jedoch vornehmlich auf Luxus-Shoppingtouren für Handtaschen und Designermöbel ausgab.

Als die Vorwürfe laut wurden, zeigte Papst Franziskus umgehend, dass es ihm mit seinem Ruf nach Transparenz in der Kurie ernst war. Im Jahr 2020 entließ er Becciu, damals Chef der Kongregation für Selig- und Heiligsprechungen, und entzog ihm alle seine Vollmachten als Kardinal, inklusive derer, an einem zukünftigen Konklave teilzunehmen. Becciu blieb so bloß der pure Kardinalstitel.

Vor allem aber gab Franziskus sein Plazet zur Anklage gegen Becciu vor dem Vatikangericht, die jetzt zu seiner Verurteilung führte. Dabei hatte der Kardinal noch unmittelbar vor Beginn des Prozesses vor gut zwei Jahren in einem Telefonat mit dem Papst erklärt, dieser selbst habe doch zum Beispiel die Autorisierung erteilt, die Gelder für den Freikauf der Nonne bereitzustellen. Aber Franziskus ließ den Kardinal auflaufen und zeigte keinerlei Bereitschaft, ihn zu entlasten.

Noch aber muss Becciu nicht hinter Gitter, ebenso wenig wie die anderen acht als Mittäter Verurteilten. Die Ver­tei­di­gung hat Berufung angekündigt.

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