Verhältnis von Belarus und Ukraine: Kein Kinderspiel

Belarus und die Ukraine üben sich in wechselseitiger Einschüchterung. Mit Großplakaten an der Grenze setzen sie die Gegenseite unter Druck.

Eine Böschung mit Stacheldrahtzaun und Beobachtungsturm, im Vordergrund ein Grenzpfahl

Die Grenzanlage zwischen Belarus und der Ukraine Foto: imago

Schon seit Längerem beschwert sich Belarus darüber, dass ukrainische Grenzschützer das angrenzende Gebiet verminen und obszöne Gesten zeigen. „Frage: Warum musste eine weitere Reihe von Minen auf dem Weg platziert werden?“, heißt es in einer offiziellen Mitteilung. Ja, warum eigentlich? Vielleicht, weil seit mehr als einem Jahr Krieg herrscht und der Sabotageakt belarussischer Partisanen an einem russischen Kampfflugzeug eine Welle von Verhaftungen und Repressionen nach sich zog?

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Es ist nicht erstaunlich, dass gerade an Orten wie der Grenze der Informationskrieg eskaliert. Die Menschenrechts-Website Gulagu.net berichtet, dass Russland Söldner nach Belarus schickt, um Anschläge zu begehen. Diese sollen Minsks Machthaber Alexander Lukaschenko zwingen, sich am Krieg gegen die Ukraine zu beteiligen. Die Söldner würden vom russischen Inlandsgeheimdienst FSB und vom Verteidigungsministerium kontrolliert. Sie sollen bereit sein, sich ukrainische Uniformen anzuziehen und in Belarus Sabotageakte zu begehen.

Die Ukrainer verstärken derweil die Grenze zum nördlichen Nachbarn. Sie zeigen nicht nur offen Panzerabwehrgräben und Minenfelder, sondern nutzen auch Mittel der psychologischen Kriegsführung. Große Plakatwände haben sie an der Grenze aufgestellt, mit Appellen an Lukaschenkos Armee. Und neben der blau-gelben ukrainischen weht die weiß-rot-weiße nunmehr verbotene belarussische Flagge.

Minsk hat so darauf geantwortet, dass das Regime an fünf Grenzübergängen ebenso propagandistische wie kreative Meisterwerke aufgestellt hat, mit doppeldeutigen Aufschriften. Auf einem dieser Plakate sieht man die ukrainische Hauptstadt Kyjiw und durch ein Vergrößerungsglas einen amerikanischen Soldaten vor dem Hintergrund einer US-Flagge. Darauf steht in riesigen Lettern: „Wir helfen der Ukraine, die wahren Okkupanten zu finden.“

Im belarussischen Fernsehen beschwerte sich Sergej Pawlow, offizieller Vertreter des Grenzregiments von Mosyr, dass die Ukrainer „eine Attrappe eines erhängten Soldaten in russischer Uniform mit dem Namen Valera aufgestellt haben. Sie gaben an, dass es sich dabei um einen Wehrdienstleistenden handele, der bei Kyjiw getötet worden sei.“ Pawlow sagte, dass dies angeblich die belarussischen Grenzschützer „einschüchtere“ und „psychologischen Druck“ auf sie ausübe.

Ukrainische Grenzer machen sich indes lustig über die Nachbarn, die Angst vor einer Vogelscheuche hätten. „Wir machen ihnen keine Angst, wir machen nur Andeutungen“, so ihre prompte Reaktion. In Zeiten von Internet-Memes wäre dieses „Schafkopf“-Spiel lustig und würde fast kindisch erscheinen, würde es nicht eine zutiefst erwachsene und schreckliche Realität widerspiegeln. Auf einem anderen Plakat sieht man Leichen aus dem Zweiten Weltkrieg und den Satz „Belarus gedenkt“.

Es heißt, dass das belarussische Regime seinen Grenzsoldaten bereits die scharfen Waffen abgenommen habe und sie nur noch Platzpatronen bekämen. Man misstraut ihnen nicht nur. Man hat Angst vor ihnen.

Aus dem Russischen von Gaby Coldewey

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ist 45 Jahre alt und lebt und arbeitet in Minsk. Das Lebensmotto: Ich mag es zu beobachten, zuzuhören, zu fühlen, zu berühren und zu riechen. Über Themen schreiben, die provozieren. Wegen der aktuellen Situation erscheinen Belarus' Beiträge unter Pseudonym.

Eine Illustration. Ein riesiger Stift, der in ein aufgeschlagenes Buch schreibt.

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