Verheerender Zyklon über Birma: Über 22.000 Tote durch Wirbelsturm

Der Zyklon "Nargis" hat im südostasiatischen Birma möglicherweise über 22.000 Todesopfer gefordert. Internationale Hilfe rollt an, aber die Zusammenarbeit mit der Regierung ist schwer.

Strom, Trinkwasser, Telefon: Den Menschen in Rangun fehlt es an allem. Bild: dpa

BANGKOK dpa/taz Die Zahl der Toten nach dem verheerenden Zyklon in Birma ist nach Angaben der staatlicher Medien in Birma auf 22.400 gestiegen, 41.000 würden noch vermißt. Wenige Stunden zuvor hatte der birmesische Informationsminister Kyaw Hsan die Zahl der Toten zunächst auf 15.000 korrigiert, 14 911 Tote seien bereits gemeldet worden, und 2500 Menschen würden noch vermisst.

Allein in Bugalay im Irrawaddy-Delta kamen nach seinen Angaben 10 000 Menschen ums Leben, in Laputta 1000 Menschen und auf den beiden Inseln Haing Kyi und Mawlamyaing vor der Südküste knapp 3000. In der verwüsteten Hafenstadt Rangun seien mindestens 59 Menschen getötet worden.

Hunderttausende Menschen sind durch den verheerenden Zyklon obdachlos. Er war am Samstag mit Windgeschwindigkeiten von 200 Kilometern in der Stunde über die Südküste hereingebrochen. Straßen und Brücken wurden zerstört, in Rangun wurden Strommasten umgerissen, und Bäume lagen entwurzelt auf den Straßen.

"Es sieht aus wie in einem Kriegsgebiet", hatte ein Beobachter die Lage umschrieben. In Rangun gibt es immer noch keinen Strom. Die Menschen stehen Schlange, um Kerzen zu kaufen, deren Preis sich über Nacht verdoppelt hat. Um an die wenigen Güter zu kommen, die derzeit verteilt werden, müssen die Bewohner nach Angaben von Dissidenten und Exilorganisationen durchs Wasser waten. Es fehlt vor allem an Trinkwasser, Decken, Kleidung und Notunterkünften.

Dissidenten warfen der Militärjunta vor, die Bevölkerung nicht ausreichend gewarnt zu haben. "Sie waren zu sehr damit beschäftigt, ihr Referendum vorzubereiten", sagte ein Sprecher der Opposition im Exil, Soe Aung, am Dienstag in Bangkok. Er rief die Junta auf, den Urnengang zu verschieben. Dabei sollte das Volk über eine neue Verfassung abstimmen, die die Macht des Militärs zementiert.

Schon drohten sich Unstimmigkeiten mit der bei Birmas Generälen verhassten internationalen Gemeinschaft abzuzeichnen: Die Militärregierung zierte sich zunächst, allen ausländischen Helfern die Einreise zu erlauben, wie Exilorganisationen es gefordert haben. "Hier ist internationale Erfahrung mit Katastrophenhilfe gefragt. Die Militärjunta ist auf solche Probleme nicht vorbereitet", so Naing Aung von dem in Thailand ansässigen "Forum for Democracy in Burma". Nach UN-Angaben steht ein Expertenteam in der thailändischen Hauptstadt Bangkok bereit, das die Katastrophenhilfe koordinieren will. Erste Hilfslieferungen des Internationalen Roten Kreuzes sind bereits verteilt. Doch die reichen bei weitem nicht aus. Etliche entlegene Gebiete konnten bisher nicht erreicht werden, die Kommunikation in den verwüsteten Regionen ist zum größten Teil zusammengebrochen.

Der ehemalige schwedische Minister Jens Orback, der im Auftrag des Olof-Palme-Instituts die politischen Bedingungen in Birma vor dem für Samstag geplanten Referendum untersucht hatte, berichtete bei seiner Rückkehr von chaotischen Zuständen. Selbst in Rangun habe es bis zu zwölf Stunden gedauert, bis die Behörden reagiert hätten, sagte er gegenüber Journalisten in Bangkok. Die Menschen hätten sich gegenseitig geholfen, so gut es ging.

In der Tat ist die Junta, die Birma seit 1962 mit brutaler Hand regiert, angesichts der immensen Katastrophe überfordert. Viele Bewohner berichten, sie seien mit den Aufräumarbeiten auf sich selbst gestellt gewesen. Im Westen Ranguns wurden Anwohner ausschließlich von buddhistischen Mönchen unterstützt. Das Militär habe lediglich einige Hauptstraßen frei geräumt.

Einige machten ihrer Wut über die schleppende Unterstützung der Militärregierung Luft: "Wo sind denn all die Uniformierten, die so schnell Mönche und andere Zivilisten niederschlagen können?", zitierte die in Nordthailand herausgegebene Dissidentenzeitschrift Irrawaddy einen Einwohner Ranguns in Anspielung auf die von der Junta im September 2007 blutig niedergeschlagene Demokratiebewegung. "Sie sollten hier anrücken, um die Stadt aufzuräumen."

Die EU-Kommission hat indes die Militärjunta in Birma aufgefordert, die Katastrophenhelfer besser zu unterstützen. "Wir hoffen, dass die Behörden alles tun werden, um die Arbeit zu erleichtern", sagte ein Sprecher der Kommission in Brüssel. Dabei gehe es vor allem um die Erteilung von Visa für humanitäre Helfer sowie um Einfuhrerlaubnisse für Hilfsgüter und dringend nötige Kommunikationsgeräte. "Die Kommunikation mit Birma ist extrem schwierig", sagte der Sprecher.

Die Vereinten Nationen hätten eine wichtige Rolle bei der humanitären Hilfe zu spielen, "aber auch die nationalen Behörden müssen sich kooperativ verhalten", sagte der Sprecher. Die EU finanziere mit zunächst zwei Millionen Euro derzeit erste Hilfeleistungen von Hilfsorganisationen, mit denen die Europäische Union ohnehin schon in Birma zusammengearbeitet habe. "Einige Orte sind völlig zerstört worden. Wir halten es für möglich, dass eine halbe Million Menschen dringend Hilfe braucht." Fachleute der EU- Katastrophenhilfsorganisation ECHO stünden bereit, "sobald der Zugang nach Birma möglich wird".

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