Verlagerung der Deponie geplatzt: Asbestmüll bleibt in Niedersachsen

Gutachten erklärt Transport einer Abfallhalde von Hannover in die Nähe von Lübeck für unzulässig. Schweriner Landesregierung will gefährlichen Müll nicht mehr annehmen.

Umsonst geräumt: Planierraupe auf der Deponie Ihlenberg vor dem Bereich, auf dem der niedersächsische Asbest-Müll gelandet wäre. Bild: dpa

HAMBURG taz | Das Land Niedersachsen bleibt auf seinem Asbest-Haufen sitzen. Die schwarz-rote Landesregierung Mecklenburg-Vorpommerns beschloss am Dienstag, den gefährlichen Müll aus Wunstorf-Luthe bei Hannover nicht anzunehmen. Auch Schleswig-Holsteins Umweltministerin Juliane Rumpf (CDU) sagte, sie rechne "nicht mehr mit einer Realisierung des Vorhabens".

Beide stützen sich auf den Tenor eines Gutachtens, das die Schweriner Landesregierung Ende November in Auftrag gegeben hatte. Die Anwaltskanzlei Gaßner, Groth, Siederer & Coll kommt darin zu dem Schluss, dass die vorgesehene Beförderung unverpackten asbesthaltigen Schlamms ohne Ausnahmegenehmigung nicht zulässig sei. Darüber hinaus will Mecklenburg-Vorpommern auch keinen verpackten Asbestmüll aus Niedersachsen annehmen.

Mit dem Nein aus Schwerin scheitert der Plan, eine komplette Asbestmüll-Deponie von Wunstorf auf die Deponien Ihlenberg (Schönberg) in Mecklenburg-Vorpommern und Rondeshagen in Schleswig-Holstein zu verlagern. Dazu sollten 160.000 Tonnen mit Planen bedeckter Asbestzementschlamm und 25.000 Tonnen asbesthaltige Scherben in Säcken verpackt mehr als 200 Kilometer weit transportiert werden.

Fulgurit hieß die Firma, die auf ihrem Gelände eine zehn Meter hohe Halde mit Asbestzement-Schlamm und asbesthaltigen Scherben aufgehäuft hat.

Die Region Hannover möchte die Halde loswerden: Es sei billiger, sie abzutransportieren, statt sie vor Ort zu sanieren - zumal es für die Verlagerung Fördergeld gibt und das Grundstück für die benachbarte Spedition frei würde.

Asbest ist ein stabiles, hitzebeständiges Material aus kleinen Fasern. Gelangen die Fasern in die Lunge, können sie Krebs auslösen. Seit 1993 darf es nicht mehr als Baustoff verwendet werden.

Die Deponie Ihlenberg hieß einmal Schönberg. Sie lag einmal in der DDR und nahm gegen Devisen Westmüll an.

Um den Transport der großen Menge finanzierbar zu machen, sorgte Niedersachsen 2009 für eine Änderung der einschlägigen "Vollzugshilfe zur Entsorgung asbesthaltiger Abfälle" der Bund / Länder-Arbeitsgemeinschaft Abfall (Laga): Asbesthaltige Abfälle dürfen seither auch unverpackt abgelagert werden, wenn sie "in großen Mengen bei der Sanierung von Altlasten anfallen, sofern die Freisetzung von Asbestfasern durch andere Maßnahmen, wie das Besprengen, zu verhindern ist".

Damit er feucht bleibt, sollte der Asbestschlamm beim Transport unter der Plane mit einer Schaumschicht überzogen werden. Gutachter des TÜV hatten diesem Verfahren nach mehreren Proben bescheinigt, es sei technisch sicher. Sie schlugen aber vor, bei jeder zehnten Fahrt zu messen, wie viele Asbestfasern freigesetzt werden.

Trotz der Änderung der Laga-Vollzugshilfe halten die Rechtsgutachter die Beförderung des unverpackten Asbestschlamms für einen Verstoß "gegen die einschlägigen gefahrgutrechtlichen und gefahrstoffrechtlichen Vorschriften". Eine Ausnahmegenehmigung, wie sie die Gutachter forderten, liege nicht vor, teilte die Schweriner Landesregierung mit. "Es ist zweifelhaft, ob bei Transporten über eine so weite Strecke eine solche Genehmigung überhaupt erteilt werden kann", erklärte Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD). Das ganze Rechtsgutachten soll bis Ende der Woche vorliegen.

Auf politischer Ebene habe sich die Schweriner Landesregierung von dem Vorhaben insgesamt verabschiedet, sagte deren Sprecher Andreas Timm. Die landeseigene Deponie Ihlenberg werde angewiesen, den Müll nicht anzunehmen. Dadurch entgingen der Deponie 900.000 Euro Gewinn, sagte Wirtschaftsminister Harry Glawe (CDU). Die Umweltorganisation BUND, die die Proteste gegen den Transport mitgetragen hat, verlangte, die Deponie zu schließen.

In Niedersachsen hat sich der Landtag mit dem Thema Asbestmüll bislang noch nicht befasst. Auch die Landtagsgrünen haben sich lange Zeit zurückgehalten - die Entscheidung der Regionsversammlung Hannover für einen Abtransport zu Sondermüllhalden hatten auch die dortigen Grünen mitgetragen.

Protest dagegen kommt aus den Grünen-Ortsverbänden. In Isernhagen nahe Hannover etwa sammeln die Grünen seit Ende Dezember Unterschriften für eine Petition an den Landtag: Der solle sich für eine sichere, dauerhafte Lagerung des Asbestmülls vor Ort einsetzen.

Mittlerweile spricht sich auch der Vorsitzende der niedersächsischen Landtagsgrünen, Stefan Wenzel, dafür aus, die Entscheidung für den Transport "grundsätzlich zu überdenken und Alternativen zu prüfen". Eine sichere Lagerung vor Ort sei "die beste Lösung, wenn das technisch machbar ist".

Entscheidend sei, ob das Land die Region Hannover bei ihrem Müllproblem unterstütze. "Bislang wurde man dort ziemlich allein gelassen", sagt Wenzel. Er schlägt darum vor, einen Fonds einzurichten, der die Kommunen bei der Beseitigung von Altlasten unterstützen soll.

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