Verträge zu Investitionsschutz: Gegen Sonderregeln

Deutschland hat mit 80 Staaten Verträge, die Klagen von Unternehmen vor privaten Schiedsgerichten erlauben. Die Linke fordert, diese zu kündigen.

Dicker weißer Rauch kommt aus Fabrikschornsteinen

Kohlekraftwerk von RWE: Der Konzern verklagte die Niederlande wegen Verlusten im Zuge des Kohleausstiegs Foto: Wolfgang Rattay/rtr

BERLIN taz | Das erste hat Deutschland 1959 mit Pakistan abgeschlossen: Investitionsschutzabkommen machen Klagen von Unternehmen gegen Staaten möglich. Inzwischen hat Deutschland mit 117 Staaten solche Verträge, 80 davon sehen Schiedsverfahren zwischen Staaten und Investoren vor. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken hervor, die der taz vorliegt.

„Die Antwort der Bundesregierung zeigt, dass es noch eine Vielzahl von Investitionsschutzabkommen gibt, die ausländischen Konzernen weiterreichende Klagemöglichkeiten eröffnen, die weit über das hinausgehen, was selbst die Bundesregierung in ihren außenwirtschaftlichen Leitlinien für künftige vergleichbare Abkommen als rote Linien definiert hat“, kritisierte Linken-Bundestagsabgeordnete Pascal Meiser.

Die außergerichtlichen Schieds­verfahren sollen Investitionen vor staatlicher Willkür schützen – vor allem in Ländern, in denen es an Rechtsstaatlichkeit mangelt. Unternehmen klagen jedoch auch, wenn sie ihre Investitionen durch Klima- oder sozialpolitische Entscheidungen gefährdet sehen. Das sorgt seit jeher für Kritik.

Für die Schiedsverfahren einigen sich die Parteien auf private Schiedsrichter*innen, der Prozess findet nicht öffentlich statt – und auch Entscheidungen oder Vergleiche bleiben unter Verschluss. Deshalb ist es schwer auszumachen, wie viel Geld tatsächlich fließt. Auch die Bundesregierung nennt keine öffentlichen Zahlen dazu.

Der Energiekonzern Vattenfall erhielt 2021 etwa 1,4 Milliarden Euro als Entschädigung für Verluste im Zuge des deutschen Atomausstiegs. Das schwedische Unternehmen hatte zuvor gegen­ Deutschland geklagt und eine Einigung erzielt. Das Wirtschaftsministerium gibt allerdings an, dass die Entschädigungszahlungen nicht Gegenstand der Einigung waren.

Austritt aus Energiechartavertrag

Ende 2023 ist Deutschland aus dem Energiechartavertrag ausgetreten, dem wohl bekanntesten Abkommen, nach dem Unternehmen immer wieder Staaten verklagen. Jüngstes Beispiel ist etwa die Klage des deutschen Energiekonzerns RWE gegen die Niederlande ­wegen des Kohleausstiegs. RWE ließ die Klage vergangenen November fallen. Hintergrund war ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom Juli, wonach Klagen von Investoren aus der EU gegen EU-Staaten unzulässig seien. Das hatte bereits 2018 der Europäische Gerichtshof geurteilt, jedoch bislang folgenlos.

Noch im Oktober 2023 wurden zwei weitere Klagen gegen Deutschland beim privaten Schiedsgericht der Weltbank eingereicht. Der britische Energiekonzern Klesh Group und das Schweizer Unternehmen Azienda Elettrica Ticinese (AET) verklagen Deutschland.

Die Bundesregierung hatte den Ausstieg aus dem Energiechartavertrag im Vorfeld der Ratifizierung des Freihandelsabkommens zwischen der EU und Kanada im Bundestag verkündet. Das Handelsabkommen beinhaltet ebenfalls ein Kapitel zum Investitionsschutz mit Klagerechten für Unternehmen. Meiser fordert Nachbesserung auch bei anderen zum Teil jahrzehntealten Abkommen, die „umgehend aufgekündigt oder zumindest nachverhandelt werden“ müssten.

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