Wahlsieg von Javier Milei: Mercosur wieder in Gefahr

Der Freihandels-Deal der EU mit südamerikanischen Ländern war nahezu durch. Nun ist durch den Wahlsieg von Javier Milei in Argentinien gefährdet.

Mit ihm wird vieles schwierig, auch das Mercosur-Abkommen: Javier Milei Foto: Natacha Pisarenko/ap

BRÜSSEL taz | Der älteste und umstrittenste Freihandels-Deal der EU steht auf der Kippe. Offiziell befindet sich das geplante Abkommen mit der südamerikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Mercosur zwar auf der Zielgeraden. Doch der Wahlsieg des rechtslastigen Anarcho-Kapitalisten Javier Milei in Argentinien könnte das Vorhaben um Jahre zurückwerfen. Zudem regt sich Widerstand im Europaparlament.

Über das Mercosur-Abkommen wird bereits seit 1999 verhandelt, 2019 gab es eine vorläufige politische Einigung. Es würde eine der größten Freihandelszonen der Welt schaffen und soll Europa wichtige Rohstoffe sichern, wie sie etwa für Batterien gebraucht werden. Die EU-Kommission in Brüssel strebt eine abschließende Einigung bis zum Jahresende an, auch Berlin macht Druck.

Doch als Agrarminister Cem Özdemir am Montag zum Treffen mit seinen Amtskollegen nach Brüssel kam, schwante ihm Böses. „Das Umfeld wird schwieriger“, sagte der Grünen-Politiker. Die Argentinien-Wahl zeige, „dass wir uns beeilen müssen“. Auch der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell drängte zu Eile. Die Verhandlungen müssten „so schnell wie möglich abgeschlossen“ werden, forderte er.

Das könnte schwierig werden, wenn nicht unmöglich. Denn der neue argentinische Präsident Milei hat das Mercosur-Abkommen in seiner Wahlkampagne scharf kritisiert und mit einem Rückzug aus der Staatengruppe gedroht, zu der neben Argentinien auch Brasilien, Paraguay und Uruguay gehören. Wenn er seine Drohungen wahr macht, wäre der Deal, der jahrelang auf Eis lag, wohl endgültig geplatzt.

Hoffnung auf Lula

Allerdings nimmt Milei sein Amt erst am 10. Dezember auf. Bis dahin, so die Hoffnung in Brüssel, könnte das Abkommen schon in trockenen Tüchern sein. Die Optimisten setzen auf den linken brasilianischen Präsidenten Luiz Inacio Lula da Silva. „Lula wird jetzt wahrscheinlich noch mehr daran interessiert sein, die Verhandlungen abzuschließen“, hofft ein EU-Diplomat.

Doch ohne Argentinien wird es nicht gehen – und Milei dürfte alles tun, um Lula auszubremsen, den er als „wütenden Kommunisten“ bezeichnet. Erschwerend kommt hinzu, dass auch einige EU-Länder auf der Bremse stehen. Vor allem Frankreich hat immer wieder Bedenken gegen das Mercosur-Abkommen vorgebracht. In Paris fürchtet man Billigimporte von südamerikanischem Rindfleisch.

Streit gibt es auch über eine Zusatzerklärung, die die EU zum Schutz des Regenwalds vorgeschlagen hat. Brasiliens Lula hat diese Erklärung zwar im Prinzip akzeptiert, will sie jedoch offenbar verwässern. Nach Angaben des globalisierungskritischen Netzwerks Attac plant Lula, das neue EU-Gesetz für entwaldungsfreie Lieferketten auszuhebeln. So wäre der Regenwald noch mehr gefährdet, warnt Attac.

Selbst wenn diese Hürden überwunden werden, könnte der Mercosur-Deal noch in letzter Minute scheitern: An einem Verfahrenstrick, den sich die EU-Kommission einfallen ließ. Mehr als 300 europäische und nationale Abgeordnete aus Frankreich, Deutschland und anderen Staaten kritisieren das Verfahren in einem offenen Brief. „Anstelle die Bedenken der Par­la­men­ta­rie­r*in­nen ernst zu nehmen und das Abkommen verträglich für Wald und Klima zu machen, will die Kommission eher die Spielregeln im Nachhinein ändern und damit das Mitspracherecht der nationalen Parlamente unterminieren“, sagt die grüne Europaabgeordnete Anna Cavazzini.

Die EU-Kommission wollte die Pläne nicht bestätigen. Unterhändler der EU und von Mercosur seien in ständigem Kontakt, erklärte ein Sprecher. Man hoffe weiter, den Deal noch vor dem Jahresende abzuschließen.

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