Weißrussische Wahlfarce: Weichei, Dieb und Dummkopf

Seit fast 20 Jahren sind Wahlen in Weißrussland weder frei noch fair. Das wird sich auch 2012 nicht ändern, Teile der Opposition boykottieren sie deshalb.

Zwei aufrechte Demokraten: Alexander Lukaschenko (l.) mit seinem russischen Amtskollegen Putin. Bild: dpa

BERLIN taz | Wahlzettel der besonderen Art verteilen zurzeit Mitglieder der Gruppe „Aktion 16“ in der weißrussischen Hauptstadt Minsk. Statt Kandidatennamen sind Kategorien wie „Dieb“, „Lügner“, „Weichei“ und „Dummkopf“ anzukreuzen. Eine fünfte Spalte ist mit einem Haken gekennzeichnet: „Brauchst du solche Wahlen? Für einen Boykott der Wahlen!“, heißt es da.

An diesem Sonntag lässt Präsident Alexander Lukaschenko seine Untertanen wieder an den Urnen aufmarschieren. Es gilt 110 Sitze der Repräsentantenkammer zu besetzen. 1994 wurde der Autokrat erstmals zum Präsidenten gewählt. Seitdem war keine Wahl frei und fair. Verirrte sich in der Anfangsphase noch hin und wieder ein Vertreter der Opposition ins Parlament, so ist das seit 2000 nicht mehr der Fall.

Als sich die Wut über dreiste Fälschungen nach den Präsidentenwahlen am 19. Dezember 2010 in Massenprotesten entlud, ließ Lukaschenko die Demonstranten zusammenschlagen und hunderte festnehmen. 13 politische Gefangene sitzen noch immer in Haft - darunter der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei, Nikola Statkewitsch.

Als Reaktion auf die andauernde Repression gegen Lukaschenkos Kritiker verhängte die EU Anfang 2012 Sanktionen in Form von Einreiseverboten gegen 200 Spitzenvertreter des Regimes und fror deren Konten ein. Lukaschenko gab und gibt sich zwar unbeeindruckt. Doch steht sein Regime vor einem wirtschaftlichen Kollaps und wäre ohne Finanzhilfen aus Russland nicht überlebensfähig.

Präsidentschaftskandidat nicht zugelassen

Dass auch diese Wahlen wieder allen demokratischen Standards Hohn sprechen und nur regimetreue Abgeordnete in das Parlament einziehen werden, hat das Regime bereits sichergestellt. So wurden Kandidaten wie der alternative Präsidentschaftskandidat von 2006, Alexander Milinkewitsch, jetzt gar nicht erst zugelassen. In den Wahlkommissionen sitzen bis auf wenige Ausnahmen Vertreter regierungstreuer Organisationen.

Um diese sogenannten Wahlen nicht zu legitimieren, lehnen Teile der Opposition eine Teilnahme ab. Am 15. September beschlossen die Vereinigte Bürgerpartei (OGP) und die Belarussische Volksfront (BNF), ihre Kandidaten zurückzuziehen. Denn die Staatsmacht habe weder alle politischen Gefangenen freigelassen noch die Wahlkommissionen transparent zusammengesetzt.

Laut einer Erhebung des Unabhängigen Instituts für sozialwirtschaftliche und politische Forschung mit Sitz im litauischen Vilinius glauben 46,9 Prozent der Befragten, dass es keinen realen Wettbewerb um die Mandate gebe. Doch erklärten über 50 Prozent, an der Wahl teilnehmen zu wollen. Nur 30 Prozent waren für Boykott.

Journalisten festgenommen

Lukaschenko lässt kurz vor den „Wahlen“ nichts unversucht, um sich lästige Beobachter vom Hals zu schaffen. Am Dienstag wurden bei einer Oppositionskundgebung in Minsk mehrere Reporter vorrübergehend festgenommen - darunter ein ZDF-Team.

Zwei deutschen Journalisten wurde die Einreise verweigert. Auch die grüne Bundestagsabgeordnete Marieluise Beck bekam kein Visum. „Das ist ein weiterer Beleg dafür, dass die Parlamentswahl eine Farce ist“, sagte Beck der taz. Und: „Ich fühle mich geehrt, dass Lukaschenko mich für so gefährlich hält, dass er mir die Einreise nach Weißrussland verweigert.“

Am Sonntagabend dürfte sich Lukaschenko wieder gebührend feiern lassen. An eine Wiederholung der Proteste von 2010 glaubt Natalija Radina, Chefredakteurin des Aktivistenportals Charter 97, nicht: „Diesmal wird es keine Proteste geben. Die Opposition ist so durch die Repressionen erstickt, dass sie gegen die Gesetzlosigkeit einfach nicht auf die Straße gehen wird.“

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