Wohnungslose in Berlin: Berlins größte Wärmestube

Bis zu 300 Obdachlose können im Hofbräu Wirtshaus in Mitte eine warme Mahlzeit bekommen. Im Frühjahr soll der Tagestreff nach Friedrichshain umziehen.

Obdachlose bekommen eine Mahlzeit

In der ersten Etage des Hofbräu Wirtshauses am Alex Foto: Florian Boillot

BERLIN taz | Beim Rundgang durch das Hofbräuhaus nach dem Pressegespräch eilt ein Wohnungsloser durch den Raum. „Frau Senatorin!“, ruft er. Kein Schreckmoment für Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke), sondern eine berührende Begegnung. „Danke, Frau Senatorin“, sagt der Wohnungslose, nickt schnell einen Gruß, dann geht er zurück und setzt sich wieder zu seinem Begleiter an den Tisch.

Katja Kipping ist keine Politikerin, die nur lächelt, wenn eine Kamera auf sie gerichtet ist. Ihre Empathie ist spürbar, auch an diesem Mittwoch im Hofbräu Wirtshaus in der Karl-Liebknecht-Straße in Mitte. Kipping besucht den größten Tagestreff für Wohnungslose in Berlin. Seit dem 19. Dezember ist er im ersten Stock der Touristengaststätte geöffnet. Montag bis Freitag von 10 bis 16 Uhr. An diesem Mittwoch ist er schon kurz nach 10 Uhr gut gefüllt.

„Dieser Treffpunkt ist deutlich mehr als eine Essensausgabe“, sagt Kipping zu Beginn des Pressetermins. Tatsächlich wird im Obergeschoss des Hofbräuhauses auch medizinische Versorgung angeboten, es gibt einen Frauenbereich, eine mehrsprachige Sozialberatung und eine Kleiderkammer.

Kleiderspenden gewünscht

„Anders als im letzten Jahr ist unsere Kleiderkammer derzeit noch leer“, sagt Christin Fritzsche und bittet eindringlich um Spenden. „Wir brauchen warme Kleidung, Schlafsäcke, Zelte, aber auch Hygieneartikel.“ Alles kann während der Öffnungszeiten in der Karl-Liebknecht-Straße 20 abgegeben oder per Paket geschickt werden.

Fritzsche ist Bereichsleiterin der Gebewo für den Tagestreff Mitte. Vier Mitarbeitende des Sozialdienstleisters sind seit dem Start im Winter in der Karl-Liebknecht-Straße beschäftigt. „Bis zu 300 Menschen können bei uns am Tag eine warme Mahlzeit bekommen“, sagt sie. Nach dem Ende der Kältesaison wird der Tagestreff im Mai dann in die Traglufthalle am Containerbahnhof in Friedrichshain ziehen. Medizinische Betreuung und Beratung werden aber bis November in der Karl-Liebknecht-Straße bleiben.

Der Tagestreff wird mit 2,4 Millionen Euro aus Mitteln des EU-Sozialfonds finanziert. Das entspricht 32 Euro pro Platz und Tag. „Da sind dann aber auch die medizinischen Angebote und der Wachschutz mit dabei“, sagt Björn Schwarz, der Geschäftsführer des Hofbräu Wirtshauses. 14 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seiner Gaststätte arbeiten für den Tagestreff. „Wir machen damit keinen Verlust, aber auch keine Gewinne“, sagt Schwarz.

Auch Schwarz spricht mit viel Empathie von den Wohnungslosen, betont, wie unterschiedlich die Arbeit im Treffpunkt im Vergleich zum Touristengeschäft sei. „Man bekommt viel mehr Dankbarkeit zurück, das war für uns eine völlig neue Erfahrung.“ Das sei auch der Grund, warum sich viele Mitarbeitende auch in diesem Jahr wieder zur Arbeit im Tagestreff gemeldet hätten.

Eine Übernachtungsmöglichkeit gibt es allerdings nicht im Tagestreff Mitte, auch keine Duschen. Die stehen dann in der Traglufthalle zur Verfügung, die ab Mai auch einen Außenbereich haben wird.

Gut gelaunt ist Katja Kipping an diesem Tag auch, weil sie eine frohe Botschaft im Gepäck hat. Denn jenseits der EU-Förderung für den Tagestreff steht der Wohnungslosenhilfe in Berlin in diesem und im kommenden Jahr deutlich mehr Geld zur Verfügung als in den Vorjahren. 2022 sind es 22,3 Millionen Euro, im kommenden Jahr 23,8 Millionen. Das ist mehr als doppelt so viel wie noch 2021.

Welchen Stellenwert die Wohnungslosenhilfe für sie persönlich habe? „Gleich am ersten Tag als Senatorin habe ich mit der BVG telefoniert“, berichtet sie. Seitdem gebe es eine Anweisung an die Kontrolleure, bei Obdachlosen den „akzeptierenden Ansatz“ zu praktizieren.

Im Hofbräu Wirtshaus gibt Katja Kipping bereits einen Ausblick ins neue Jahr. „Berlin wird dann den Vorsitz in der Arbeits- und Sozialministerkonferenz haben“, sagt sie. „Mein Ziel wird es sein, dass das Thema Housing First auch zum Leitmotiv für andere Bundesländer wird.“

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