„Macht die reichen Jungs fertig“

Der Highschool-Film „Rushmore“ von „Royal Tenenbaums“-Regisseur Wes Anderson  ■ Von Jan Distelmeyer

Wer sich völlig zu Recht stante pede in die Royal Tenenbaums verliebt hat und nun nach dem dritten oder vierten Kinobesuch langsam Angst vor dem absehbaren Abtritt der Familie bekommt, darf kurzzeitig aufatmen. Das Abaton zeigt noch einmal Rushmore, den zweiten gemeinsamen Film von Regisseur Wes Anderson und Koautor Owen Wilson vor den Tenenbaums, und damit den ersten, der es bis in die deutschen Kinos geschafft hatte.

Während uns die erste Anderson/Wilson-Kooperation Bottle Rocket von 1996 im Kino vorenthalten wurde, lief Rushmore hierzulande mit zweijähriger Verspätung wenigstens für ein paar Wochen im Frühjahr 2001. Wie bei den Royal Tenenbaums ist auch hier eine Nacherzählung zum Scheitern verurteilt. Es würde zu wenig über den Reichtum von Rushmore verraten, allein von Max Fisher (Jason Schwartzman) und seiner Geschichte zu berichten – von der Liebe des 15-jährigen Friseursohns und Stipendiaten zur Eliteschule Rushmore, von seiner Schuluniform, von seinen zahllosen selbstgegründeten Rushmore-Clubs (wie die Bienenzüchtervereinigung, den Debattierclub, die Schachgruppe, den Kaligraphie-Club oder den Lacrosse-Verein), von seinen desaströsen Noten („zuviele außerschulische Aktivitäten“), seinen größenwahnsinnigen Schulheateraufführungen (unter anderem eine Serpico- und eine Platoon-Variante), von seiner aggressiven Verrehrung für die Lehrerin und Jacques-Cousteau-Verehrerin Miss Cross (Olivia Williams) und von seiner Freundschaft zum lakonischen Vietnam- und Familienveteranen Mr. Blume (Bill Murray).

All diese Bruchstücke entwickeln erst durch den Rhythmus ihrer Verbindung jenes spezielle Eigenleben, das auf ihre Weise auch die Tenenbaums führen. What's so funny about love, peace and understanding? Es kommt immer wieder, thematisch und formal, auf ein Zusammenbringen an, auf ein Miteinander, von dem und über das in mehreren Kapiteln oder Akten erzählt wird. Mit anderen Worten: So wie The Royal Tenenbaums ein Buch ist, funktioniert Rushmore als Theaterstück.

Gleichzeitig ist Rushmore ein Highschool- und Coming-of-age-Film. Doch wenn She's All That – Eine wie keine so etwas wie den zeitgemäßen Prototyp des Teen-ager-finden-sich-und-ihre-Liebe-Prinzips Ende der 90er darstellt, dann ist Rushmore nebenbei das vielleicht smarteste Gegenmodell, das sich denken lässt. Ein Grund dafür liegt darin, dass er einerseits die Freiheiten des Kinos bewusster (und musikalischer) auslebt als andere Highschool-Filme und im selben Augenblick sein Thema ernster nimmt, als es im Genre üblich ist. Dazu gehört auch ein anderer Blick auf das Verhältnis von Jugend und Erwachsensein, der die dazugehörigen Konflikte nicht kurzerhand zugunsten einer stereotypen Jugendlichkeit entscheidet. Wer Mr. Blume ein unschuldiges Basketballspiel zerstören sieht, weiß was gemeint ist.

Wieviele der ungefähr 100 Gründe, Rushmore einen Altar zu bauen, haben hier noch Platz? Vielleicht nur noch der leicht absurde Humor, der von Anfang an klar macht, woher der Wind weht. In einer der ersten Szenen des Films wendet sich ein mittelalter, leicht gelangweilter Redner im Nadelstreifenmaßanzug an die versammelte Lehrer- und Schülerschaft, allesamt adrett auf Bänken versammelt in einer räumlichen Atmosphäre von Tradi-tion, Gediegenheit und Vorwärtskommen. Der Club der toten Dichter dräut von fern.

Dann aber beginnt Mr. Blume in der Funktion des großzügigsten Schulspenders seine sehr kurze Eröffnungsrede, nach der nur ein Einziger – Max Fisher – in die verwirrte Stille hinein applaudieren wird: „Ihr Jungs habt's wirklich leicht. Ich hatte es nie so leicht. Ihr seid reich geboren, und bleibt reich. Mein Rat: Nehmt die reichen Jungs ins Visier und macht sie fertig!“

heute und Mi, 17.4., 22.30 Uhr (der Film läuft im US-amerikanischen Original mit Untertiteln), Abaton