„Kampf dem inneren Feind“

Großbritanniens Neonazis erklären die muslimische Bevölkerung zum Sündenbock. Und Premierminister Tony Blair erklärt seinen Bürgern mit Zeitungartikeln den Islam

DUBLIN taz ■ Die Schule ist wieder geöffnet. Nach den Anschlägen in den USA machte die Islamia School im Norden Londons vorsichtshalber für ein paar Tage dicht. Überall in Großbritannien wurden Muslime in den vergangenen zwei Wochen mit Steinen und Molotow-Cocktails angegriffen, die Wände ihrer Einrichtungen mit antiislamischen Parolen beschmiert. In Bradford, wo es vor zwei Monaten zu Straßenschlachten zwischen Rechtsextremen und muslimischen Jugendlichen kam, wurden zwei Stadtverordnete, beide Sikhs, verprügelt, weil man sie für Muslime hielt. Die rechtsextreme British National Party will die Gunst der Stunde nutzen und ruft zum Kampf gegen „den inneren Feind“ auf.

„Wir haben die Schule aus Respekt für die Opfer und aus Vorsicht geschlossen“, sagt Yusuf Islam, der Vorsitzende der staatlich finanzierten Islamia School. Früher, als er noch Cat Stevens hieß und Popstar war, hat Yusuf Islam ein Lied mit dem Titel geschrieben: „Wo spielen die Kinder?“ Jetzt hofft er, dass die Wiedereröffnung der Islamia School „einen Neuanfang für die Kinder auf der ganzen Welt“ bedeutet: „Das Leben muss weitergehen.“

Auch bei Q-News ist man vorsichtig. Heute erscheint die neue Ausgabe von Europas größter muslimischer Zeitschrift. Es ist die erste Ausgabe nach den Anschlägen in den USA. „Es geht um Drogen, Designermode, Menschenrechte und Hollywood-Filme“, heißt es in der Werbung der Hochglanzzeitschrift. Shagufta Yaqub, die 25-jährige Chefredakteurin, sagt, sie bekomme täglich Morddrohungen. Dennoch ist sie optimistisch: „Wegen der ganzen Aufmerksamkeit, die der Islam in den vergangenen Wochen erfahren hat, gibt es eine Menge guter, positiver Artikel, die unseren Glauben erklären.“

Die 22-jährige Nachrichtenredakteurin Fareena Alam sagt, die Zeitschrift untersuche Gerüchte, wonach die Attentäter von New York und Washington gar keine Muslime waren. „Es gibt Berichte, wonach die Flugzeugentführer Alkohol getrunken und Striptease-Clubs besucht haben“, sagt sie. „Und das sollen muslimische Fundamentalisten sein?“ Britanniens Boulevardblätter haben Alam zur Hassfigur erklärt, weil sie sich nach den Anschlägen in einer BBC-Sendung „antiamerikanisch“ geäußert habe. Die Daily Mail titelte: „Der Tag, an dem die BBC Britannien blamiert hat.“ Generaldirektor Greg Dyke musste sich öffentlich entschuldigen. Alam sagt: „Man wirft uns in einen Topf mit denjenigen, die Ärger machen.“

Der britische Premierminister Tony Blair schrieb in den letzten Tagen mehrere Artikel, um dem Hass auf die einheimischen Muslime entgegenzuwirken und eine Eskalation zu verhindern. Einer dieser Texte ist auch in der aktuellen Ausgabe von Q-News abgedruckt. „Diese Taten von abscheulicher Brutalität widersprechen dem islamischen Glauben, das weiß ich“, heißt es darin. „Den Islam zu beschuldigen ist genauso blödsinnig, als wenn man Christen in Nordirland für loyalistische Angriffe auf Katholiken oder nationalistische Angriffe auf Protestanten verantwortlich macht.“

RALF SOTSCHECK