Rau gegen deutschen Kampfeinsatz

Bundespräsident Rau setzt auf logistischen Beistand für US-Truppen. Regierung hält sich dagegen alle Optionen offen.Antje Vollmer gegen, Gregor Gysi für begrenzte Militärschläge. Mehrheit der Deutschen für Kampfeinsatz der Bundeswehr

BERLIN taz ■ Diese Woche steht voraussichtlich die Entscheidung über eine deutsche Beteiligung an US-Vergeltungsschlägen an. Noch will die Bundesregierung sich nicht festlegen. Es würden „verschiedene Handlungsoptionen“ geprüft, erklärte Verteidigungsminister Rudolf Scharping. Bundespräsident Johannes Rau rechnet dagegen nicht mit einer direkten deutschen Beteiligung an Vergeltungsschlägen. Rau erklärte im Radio, es komme darauf an, „dass wir uns nicht in einen Krieg hineinreden, sondern dass wir miteinander die Solidarität üben, die Amerika braucht und verdient hat“. Seinem Eindruck nach sei von der Bundeswehr Beistand logistischer Art gefragt.

Die Bundeswehr überprüft derzeit, welche Truppen und militärischen Einrichtungen zur Unterstützung der Amerikaner in Frage kommen. Bundeskanzler Gerhard Schröder sagte der ARD: „Ich muss in der nächsten Woche vermutlich eine der schwerwiegendsten Entscheidungen treffen, die ich je zu treffen hatte.“ Er schloss gestern eine Beteiligung der Bundeswehr an Militäraktionen der USA nicht aus. Scharping erklärte, er rechne mit ersten Einzelheiten über die Art der deutschen Beteiligung in den nächsten Tagen. Voraussetzung hierfür dürfte die Entscheidung der USA sein. Präsident George W. Bush beriet am Wochenende mit seinem Nationalen Sicherheitsrat. Er kündigte den „ersten Krieg des 21. Jahrhunderts“ an. Bundesaußenminister Joschka Fischer betonte, trotz Feststellung des so genannten Nato-Bündnisfalls gebe es „keinen Mechanismus, keine Automatik, die uns etwa unmittelbar dort mit rein bringt“. Zuvor seien Konsultationen durch die USA erforderlich sowie ein Beschluss des Bundestags. Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer lehnt eine Beteiligung der Bundeswehr an Militäraktionen der USA explizit ab. Die Grüne sagte der Berliner Zeitung, den Terror der Islamisten „kann man nicht auf der gleichen Ebene beantworten“. Von den Grünen forderte Vollmer eine Rückbesinnung auf die pazifistischen Wurzeln. Der Spitzenkandidat der PDS in Berlin, Gregor Gysi, sprach sich dagegen für begrenzte Militärschläge aus. „Angesichts der Dimension der Terrorakte wird es auch Repressionen geben müssen“, sagte Gysi.

In der Bundesregierung wird ein Szenario in zwei Stufen für wahrscheinlich gehalten. Danach würden die USA den Beginn ihrer Angriffe allein unternehmen und die Nato lediglich informieren. Da der US-Präsident aber einen „radikalen, dauerhaften und effektiven“ Kampf gegen den internationalen Terrorismus plant, könnten die USA im zweiten Schritt ihre Verbündeten um Unterstützung bitten.

Am Mittwoch wird der Bundestag zu einer Sondersitzung zusammenkommen. „Aus heutiger Sicht geht das in Richtung einer politischen Debatte“, sagte Fischer. Obwohl kein Politiker dies bisher offen sagt, ließe sich die Sitzung kurzfristig für einen Beschluss über Kampfeinsätze nutzen. Zwei Meinungsumfragen zufolge sind 58 Prozent (infratest) beziehungsweise 69 Prozent (Forsa) der Deutschen dafür, den USA militärisch beizustehen. PATRIK SCHWARZ