Call-Center: Freundlichkeit im Akkord

Die Arbeitsbedingungen in Call-Centern sind schlecht: Leistungsdruck und fehlende Arbeitnehmerrechte sind an der Tagesordnung. Die globale Gewerkschaft UNI will nun die meist jungen und weiblichen Angestellten ansprechen

24 Stunden flötet es rund um die Uhr um den Erdball: „Was kann ich für Sie tun?“ Die Call-Center sind ein Arbeitsschwerpunkt des United Network International (UNI). Ein Bericht der UNI-Finanzabteilung kommt zu dem Ergebnis, dass die Call-Center, bedingt durch die gemeinsame Technologie, „ungeachtet des Landes und des Industriesektors die gleichen Missstände aufweisen.“ Ein Angestellter aus Glasgow beschreibt: „Man fühlt sich wie auf einer Galeere: überwacht und gescholten, wenn Fehler passieren.“

Die globale Gewerkschaft zeigt eine Vielzahl von Problemen auf: mangelnde Ergonomie und Sicherheit am Arbeitsplatz, fehlende Ausbildung und Chancengleichheit, keine Tarifverträge, stattdessen Einzelverträge ohne Arbeitnehmerrechte. Hinzu kommen Belastungen durch die Struktur der Billigarbeitsplätze: Verlust der Privatsphäre durch elektronische Überwachung, Dauerstress und Überbelastung bis zum Verlust der Stimme, Belästigungen und Bedrohung der Frauen, besonders in der Nacht.

Mit neuen Strategien will UNI die meist jungen und weiblichen Angestellten ansprechen. Ein erster Schritt war ein im April 2001 ausgerufener internationaler Tag zur gewerkschaftlichen Organisierung in Call-Centern – ein Strategieprojekt, das zusammen mit einer dänischen Mitgliedsgewerkschaft organisiert wurde. In Deutschland sind Modellrichtlinien für Handel, Banken, Kommunikations- und Medienunternehmen veröffentlicht worden. Außerdem sollen mit den Call-Center-Firmen Verhandlungen über Mindeststandards geführt werden.

Vor allem aber will UNI Mitglieder werben. Die Mehrzahl der Angestellten in Call-Centern ist zwischen 20 und 30 Jahre alt. Gewerkschaftserfahrung haben die meisten von ihnen nicht. Deshalb muss UNI erst vermitteln, dass Überstunden, Ausschluss von Sozialleistungen, Zeitarbeit oder Kurzzeitverträge und unzureichende Bezahlung keine unabänderlichen Arbeitsbedingungen sind.

Mit einer Wachstumsquote von 30 Prozent bringt der Geschäftszweig allein in Europa mehr als 100.000 Zeitarbeitsplätze pro Jahr. Prognosen sehen für 2002 mehr als 1,3 Prozent der europäischen Berufstätigen dort beschäftigt. UNI macht sich schon mal die Erkenntnis des englischen Call-Center-Ausbilders Jim Bennett zu eigen: „Man kann Menschen nicht in Maschinen verwandeln und dann von ihnen erwarten, dass sie menschliche Fertigkeiten im Kundendienst aufbringen.“

SUSANNE AMANN