Kampf gegen Schlamm und Flut

PHILIPPINEN Hunderte Todesopfer fordert der Tropensturm „Washi“ auf der Insel Mindanao. Viele Bewohner im Schlaf überrascht. Noch mehr als 800 Menschen werden vermisst

„Viele Eltern suchen in den Leichenhallen nach ihren Kindern“

ARMEEANGEHÖRIGER

VON NICOLA GLASS

BANGKOK taz | Für die Rettungskräfte auf der südphilippinischen Insel Mindanao ist es ein Wettlauf gegen die Zeit: Im Bemühen, Überlebende zu finden, kämpfen sie gegen Schlamm, Verwüstungen und den Gestank des Todes. Ganze Ortschaften wurden überflutet und Dörfer weggerissen, als in der Nacht zu Samstag der Tropensturm „Washi“ auf die Küste Mindanaos traf und die Hafenstädte Cagayan de Oro und Iligan verwüstete.

Nach Angaben des philippinischen Roten Kreuzes stieg die Zahl der Toten bis zum Sonntagabend Ortszeit auf mehr als 650. Unter den Opfern sind vor allem Frauen und Kinder. Mehr als 800 Menschen galten zu diesem Zeitpunkt noch als vermisst. Obwohl die Behörden erklärten, man habe Tage zuvor Warnungen herausgegeben, hat die Katastrophe viele Bewohner im Schlaf überrascht. Mit solch drastischen Ausmaßen hat offensichtlich niemand gerechnet. Meist treffen Tropenstürme nämlich eher die philippinische Hauptinsel Luzon als die in weiten Teilen verarmten Regionen Mindanaos.

Viele Dörfer sind weiterhin von der Außenwelt abgeschnitten. Die Helfer, angeführt von etwa 20.000 auf Mindanao stationierten Soldaten, bemühten sich weiter, dorthin vorzudringen. Vielerorts sei die Infrastruktur völlig zerstört, und die Bewohner würden für Nahrung und sauberes Trinkwasser anstehen, berichteten philippinische Medien. Zudem hieß es, lokalen Bestattungsunternehmen gingen die Särge aus. Armeeangehörige bestätigten, dass sich dort die nicht identifizierten Leichen häuften: „Viele Mütter und Väter gehen von einer Leichenhalle zur nächsten und suchen nach ihren Kindern.“

Die Zentralregierung in Manila lässt Matrazen, Decken, Kleidung und Trinkwasser auf die Insel Mindanao fliegen. Nach Schätzungen der Behörden sind mindestens 100.000 Menschen von den Folgen des verheerenden Tropensturms betroffen; etwa 35.000 Bewohner seien bislang in Notunterkünften untergekommen. Die Philippinen werden regelmäßig von Naturkatastrophen heimgesucht. Mit seinen etwa 7.000 Inseln gehört das Land zu den ersten, die von den vom nördlichen Pazifik heran nahenden Taifunen getroffen werden. Allein in diesem Jahr waren es bislang neunzehn Tropenstürme. Diese zählen neben Erdbeben zu den schwersten Naturkatastrophen im Inselreich. Die Behörden zogen aus dem „Washi-Desaster“ bereits Parallelen zum Taifun „Ketsana“. Dieser hatte im September 2009 weite Teile der Hauptstadt Manila und angrenzende Provinzen überflutet und galt als der schlimmste Taifun seit 40 Jahren.