Zu viel Kaufmann – zu wenig Nazi

Nach dem Anschlag auf einen Schweriner Naziladen am vergangenen Wochenende rücken die rechten Szeneläden wieder in den Blickpunkt. Die Szene ist untereinander zerstritten: Den Ladenbesitzern wird reines Kommerzdenken vorgeworfen

VON UTA GENSICHEN

Der Anschlag auf einen Naziladen in Schwerin in der Nacht vom 18. auf den 19. August hatte nicht nur eine zerbrochene Fensterscheibe und eine Anzeige gegen zwei Unbekannte Täter zur Folge. Das Ereignis rückt vor allem einmal mehr rechte Szeneläden wie den Schweriner „Thule Store“ ins Blickfeld der Öffentlichkeit.

„Dieses Phänomen ist derzeit gut zu beobachten“, sagt Susanne Theilmann vom Mobilen Beratungsteam für demokratische Kultur (MBT). „Die rechte Szene hat sich hier fest etabliert“, sagt sie.

Der von dem Berliner Stefan Suhr betriebene Laden in Schwerin ist nur ein Beispiel für rechtsextremistische Vertriebsstrukturen in Mecklenburg-Vorpommern. So gibt es mindestens sechs weitere Geschäfte in Anklam, Stralsund, Neubrandenburg, Greifswald und Rostock, in denen der kauflustige Rechtsextreme nach szenetypischer Kleidung und Musik stöbern kann. Einige dieser Geschäfte, so zum Beispiel die Kette „Underground Street Wear“, erscheinen auf den ersten Blick harmlos. Geht der Kunde aber an den Regalen mit handelsüblichen Sportmarken vorbei, erschließt sich ihm eine andere Seite dieser Läden. „In Schwerin wird auf zwei Dritteln der Verkaufsfläche nur die Marke Thor Steinar verkauft, die bei Nazis besonders beliebt ist“, sagt Theilmann.

So ähnlich die Strukturen der Geschäfte, so unterschiedlich sind dagegen die Bürgerbewegungen in den Städten. „So richtig politisch wird es nur in Rostock“, sagt Mathias Brodkorb, Landtagsabgeordneter der SPD und Begründer der Internetseite „Endstation rechts“. In der Hansestadt kommt es seit mehreren Wochen zu Auseinandersetzungen zwischen den Betreibern des „East Coast Corner“ und Bürgern (taz berichtete).

Die steigende Anzahl der Nazi-Läden stößt allerdings nicht nur den politischen Gegnern sauer auf. Sogar die eigene Szene schiebt so manchem rechten Kaufmann einen Riegel vor. Dem Betreiber des „Totenkopfversands“ aus Wismar, Philip Schlaffer, wurde lange Zeit vorgeworfen, er betreibe mit seinem Onlinegeschäft reinen Kommerz. „Ihm wurde unterstellt, Geld in die eigene Tasche gewirtschaftet zu haben“, sagt Susanne Theilmann.

Und das sieht die rechte Szene gar nicht gerne. Denn wer mit dem Vertrieb von Szeneklamotten und Tonträgern Gewinn macht, muss mit diesem wiederum die rechte Szene unterstützen. Weil Schlaffer aber sein Geld lieber in sein Eigenheim als in Nazi-Konzerte und Kameradschaftstreffen investierte, schlugen die Wellen in zahlreichen nationalsozialistischen Internet-Foren hoch. Nach öffentlichen Boykottaufrufen wuchs der Druck auf Schlaffer. Im April 2007 verkaufte er deshalb sein Online-Geschäft und das Label NorthX an den Mitarbeiter Norman Peters.

Ähnlich geht es dem in Verruf geratenen V7-Versand aus Grevesmühlen. Dessen Betreiber geht allerdings in die Offensive und wirbt seit dem 20. August mit reduzierten Preisen. „Allen Spaltern, Dieben und Szenefeiglingen“ wolle er mit dieser Aktion beweisen, dass sein Vertrieb nichts mit der vorgeworfenen Kommerzialisierung zu tun habe. „In dieser Szene glauben die Leute eben an das,was sie tun“, sagt Theilmann.

Dabei ist das Prinzip des rechten Versandhandels besonders dann schlagkräftig, wenn sich Ideologie und Professionalität miteinander verbinden. Denn wenn der V7-Versand CDs der Nazi-Urgesteine „Endstufe“, kugelsichere Westen und Schlagstöcke anbietet, steckt dahinter durchaus ein ausgeklügeltes System der Kundenbindung. „Es ist fast wie bei einem Buchclub, mit Kundenkarte und Gratis-CD“, sagt Susanne Theilmann vom MBT.

Geht es nach dem Verfassungsschutz in Mecklenburg-Vorpommern, sind die vermeintlich vermehrten Szeneläden im Land kein Grund zur Beunruhigung. „Die Strukturen sind hier noch relativ dünn und überschaubar“, sagt ein Sprecher. Vielmehr würden solche Themen von den Medien immer wieder gerne aufgegriffen. Laut Landesverfassungsschutzbericht 2006 befindet sich die rechte Szene derzeit sogar in einer Phase der Stagnation.

Im Bundesamt für Verfassungsschutz stellt man hingegen ausgeprägtere Vertriebsstrukturen in Ost- und Norddeutschland fest als im Rest der Republik. „In den alten Bundesländern wird vieles medial nicht mehr wahrgenommen“, sagt Theilmann zu dem Vorwurf eines verstärkten Rechtsrucks im Osten. „Niedersachsen zum Beispiel ist ja auch kein unbeschriebenes Blatt.“