Die Moers-Community lebt

Mehr als 20 Konzerte und freies Camping: Das Moers Festival bleibt auch zwei Jahre nach dem Wechsel an der Spitze Ziel tausender Jazzfans. Für August droht Konkurrenz aus der Nachbarschaft

Für Samstag verlosen wir fünf mal zwei Tageskarten für das Moers Festival. Auf dem Programm stehen: Eckard Koltermann, die Norwegerin Eldbjørg Raknes, Keiji Haino und Cornelius aus Tokyo und aus New York das Anthony Braxton Sextet und Steven Bernstein‘s Millennial Territory Orchestra. Schnell mailen an: verlag@taz-nrw.de

VON HOLGER PAULER

Das 36. Moers Festival wirbt mit „lieber“ und „böser“ Musik, „alten“ und „neuen“ Helden. Wen Festivalleiter Reiner Michalke damit genau meint, lässt er lieber offen. Am Ende könne eh nur die „völlige Entkategorisierung“ stehen – der Musiker und der Stile. Für das zweite Festival unter seiner Leitung hat der Kölner Jazzarbeiter einen weiten Bogen gespannt. Protagonisten der wilden Gründerjahre spielen mit dem respektlos respektablen Nachwuchs, lokale Größen treffen auf Musiker aus Skandinavien und den USA.

Erinnerungen an die Zeit, als das Festival noch nicht im größten Zirkuszelt Europas beheimatet war, weckt der New Yorker Saxofonist, Komponist und Dirigent Anthony Braxton. Seine Auftritte sind mittlerweile äußerst selten geworden. Von 1974 bis 1978 war er allerdings Dauergast auf den Open Air-Bühnen im Schloss- und Freizeitpark. Als Solist und Ensemblemitglied lieferte Braxton den atlantischen Beitrag zum Aufbruch der frei-improvisierenden Szene Europas. In seinem aktuellen „Sextett + 1“ hat der Schachspieler und Bachfan Nachwuchsmusiker aus New York versammelt.

Ebenfalls aus der East-Coast-Metropole kommt das „Millennial Territory Orchestra“ des Trompeters Steven Bernstein. Das ehemalige Mitglied der „Fakejazz-Band“ Lounge Lizards um den Saxofonisten John Lurie spielt sich mit seinem neunköpfigen Orchester durch 100 Jahre US-amerikanischer Musikgeschichte. Beide Konzerte finden am Samstagabend statt.

Am Samstagnachmittag treffen der japanische Noise-Gitarrist Keiji Haino und der Avant-Techno-Pionier Masami Akita aka Merzbow aufeinander; der ehemalige Sänger der Crossover-Band Faith No More, Mike Patton, begibt sich am Montag im Duo mit dem Wiener Christian Fennesz auf Klangreise. Patton ist seit Jahren Gast in der New Yorker Downtown-Szene und hat sich mit seiner CD „Adult Themes For Voice“, erschienen auf dem Tzadik-Label des Saxofonisten John Zorn, einen Namen jenseits des Rock-Mainstreams gemacht. Dieses Konzert wird von der taz nrw präsentiert.

Auch klassische Bereiche des Jazz stehen auf dem Programm: Tanzbaren Funk and Soul gibt es von Sharon Jones & The Dap Kings, zeitgenössischen Jazz spielt die Australierin Andrea Keller mit ihrem Quartett. Die regionale Szene repräsentieren unter anderem der Bochumer Pianist Georg Gräwe mit dem „GRH Trio featuring Earl Howard“, der Herner Klarinettist Eckhard Koltermann mit seiner deutsch-niederländischen Band „Border Hopping“ und der aus dem Umfeld des Kölner Loft stammende Saxofonist Hayden Chisholm mit seinem Ensemble „The Embassadors“. Neben der Hauptbühne im Zirkuszelt gibt es über die Stadt verteilt weitere Angebote unter den Mottos „the morning“, „the night“, „Konzerte im Dunkeln“ und „Mitternachtsspecials“.

Dass Moers mehr ist als Musik, hat sich in den vergangenen 35 Jahren über die Stadtgrenzen hinaus herumgesprochen. Auch in diesem Jahr halten die Veranstalter am langjährigen Konzept fest. Für die 10.000 Konzertbesucher und die vielen Tausend Gäste ohne Eintrittskarte steht der Freizeitpark als kostenlose Camping-Wiese zur Verfügung. Pläne, das Festival mittelfristig aus dem Zirkuszelt in die Clubs der Innenstadt zu verlegen, wurden nach heftigen Reaktionen der Jazzfans vorerst auf Eis gelegt.

Vielleicht sorgte auch die Ankündigung eines anderen Moers-Veteranen für leichte Unruhe. Der Festivalgründer und langjährige Leiter, Burkhard Hennen, hat für August angekündigt, im niederländisch-niederrheinischen Grenzland ein dreitägiges Festival zu starten. Headliner ist das mehr als 40-köpfige, Moers erprobte „Shibuza Shirazu Orchestra“ aus Japan, das zum Auftakt seiner Europatournee ein bombastisches Programm mit Jazz, Butoh-Tanz und zirkusreifen Einlagen präsentieren wird. Die Pressekonferenz hat Hennen übrigens auf den Pfingstmontag gelegt. Mal sehen, wie die Community reagiert.

25. bis 28. Mai, Freizeitpark

www.moersfestival.info/2007