Biermann gibt Berlin die Ehre

Gestern um 15.29 Uhr wurde Wolf Biermann 115. Ehrenbürger Berlins. Weil es dafür lange brauchte, machten die Herren Wowereit und Biermann ein paar alte Suppentöpfe auf – zum Glück humorvoll

VON ROLF LAUTENSCHLÄGER

Dass Wolf Biermann kein Hüne, sondern von kleiner, schmächtiger Gestalt ist, hätte man Walter Momper sagen können, ja müssen. Der Parlamentspräsident, auch sonst für sein leicht schnodderiges Verhalten berüchtigt, hatte mit ein paar Stolperern die Urkunde zur Verleihung der Ehrenbürgerwürde an den „Herrn Wolf Biermann“ verlesen und wollte sie dem Liedermacher übergeben. Momper klappte die fast ein Quadratmeter große Auszeichnung aus. Biermann verschwand dahinter fast völlig. Nix war’s mit dem Smiley-Foto.

Klaus Wowereit, der Regierende, musste im Festsaal des Roten Rathauses assistieren und die Urkunde niedriger und Biermann größer machen. Die Kameras klickten. Congratulations, Wolf Biermann!

Sind Biermann und Berlin einfach nicht auf Augenhöhe? Vielleicht. Was seit einem halben Jahr Tauziehen um die Ehrenbürgerwürde vonstatten gegangen war und noch am Wochenende mit Biermanns Polemik über die „verbrecherische“ rot-rote Koalition einen weiteren Gipfel erreichte, klang auch bei der Auszeichnung gestern mit. Aber, dem Anlass angemessen, etwas lässiger, ironischer und humorvoller als im Vorfeld.

Gott sei Dank, muss man sagen. Es steigerte die Qualität des Gezänks. Die Herren, Wowereit und der aufsässige, rabaukige Biermann, stichelten ein wenig. Sich tüchtig politisch einen einschenken, wie es Biermann und die SPD/PDS-Fraktionen – die die Verleihung wegen Biermanns rüder Koalitionskritik lange ablehnten –, in der Vergangenheit taten, das unterließ man jetzt. Wowereit mimte den Staatsmann, nahm eine gute halbe Minute – „zur Begrüßung“ – die Fehde auf, um die Biermann-Attacke zu kontern: „Das geht zu weit!“ Dann war in der Laudatio umso mehr Platz für Schmeicheleien. Und das war okay so.

Würdig, ein Berliner Ehrenbürger zu sein, ist Biermann nach Wowereit, weil er sich als „leidenschaftlicher Humanist, Dichter und Aufklärer“ unbeugsam den DDR-Oberen widersetzte und denen da unten Mut machte. Und was hat er für Berlin getan? Der Regierende: „Er hat die Gegenwart der Stadt in unzähligen Liedern besungen.“

Das klang schön. Es war also wieder an der Zeit für ein klein wenig Zunder. Biermann, im Lederjackett, dankte erst artig dem Bürgermeister und den 400 Gästen aus Politik und Kultur. Weil aber der Schalk in ihm steckt, wollte er den Regierenden gleich darauf ein wenig vorführen: „Unter uns, Herr Oberbürgermeister, mich hat der schöne Parteienstreit mehr beruhigt“, sagte Biermann unter dem Gelächter der Gäste. Denn „Ehrenbürgerei ist ein politischer Vorgang“. Und ein solcher müsse lebendig sein. Und außerdem habe die Rede Wowereits ihm eigentlich gefallen, „auch wenn man sich nicht gleich um den Hals fallen muss“. Punkt Biermann.

Seine Dankesrede über die Hilfe in dunklen Zeiten von anderen DDR-Oppositionellen war weniger witzig. Und ernst meinte es Biermann auch, als er sagte: „Ich verdanke Berlin nicht viel, sondern fast alles.“ Das war dann fast schon oscarmäßig – zum Heulen.

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