Freude über Coup gegen NPD-Mann

Bundesweiter Beifall: Eine Kleinstadt hat NPD-Anwalt Rieger juristisch vorgeführt

BERLIN taz ■ Der juristische Coup der thüringischen Kleinstadt Pößneck gegen den NPD-Politiker und Immobilienstrategen Jürgen Rieger hat gestern ein positives Echo ausgelöst. „Das ist ein ganz wichtiger Etappensieg und ein deutliches Signal im Kampf gegen die Rechtsextremen“, sagte der Pößnecker Landrat Frank Roßner (SPD). „Der Fall belegt, dass Zivilcourage auch mal aus bürokratischer Kleinarbeit bestehen kann.“

Das Amtsgericht Jena hatte in der vergangenen Woche mit seinem Beschluss zulasten des vermögenden Neonazi-Anwalts einen brisanten juristischen Präzedenzfall geschaffen. Auf Antrag der Stadt Pößneck übertrug der Richter nicht nur Riegers Gebäude in Pößneck einem Rechtsanwalt zur Abwicklung – sondern setzte den Juristen auch als Verwalter für das übrige in Deutschland gelegene Vermögen einer britischen Firma des Neonazis ein (die taz berichtete). Der Pößnecker Anwalt und CDU-Stadtrat Alf-Heinz Borchardt will nun als „Nachtragsliquidator“ auch den von Rieger ersteigerten „Heisenhof“ im niedersächsischen Dörverden abwickeln.

Gestern kündigte Borchardt bereits den Mietern des Hauses in Pößneck und untersagte Rieger die Nutzung des Geländes in Dörverden. Er habe die Polizei aufgefordert, jede Nutzung des Hofes zu unterbinden. Borchardt will beide Häuser nun schätzen lassen und sie dann verkaufen. Hintergrund des Gerichtsbeschlusses ist die Auflösung einer Londoner Tarnfirma Riegers durch die britischen Behörden. Denn nicht Rieger selbst war als Eigentümer der Immobilien in Pößneck und Dörverden eingetragen, sondern seine „Wilhelm-Tietjen-Stiftung für Fertilisation Limited“. Weil Rieger es versäumte, einen Geschäftsbericht für diese Firma zu veröffentlichen, wurde sie 2006 von den britischen Behörden gelöscht.

„Erfreut und erleichtert“ zeigte sich gestern auch Dörverdens Bürgermeisterin Karin Meyer. Nun könne Rechtsanwalt Borchardt entscheiden, wer das Gelände betrete. Sie hoffe, dass die Rechtsextremen sich „an die Spielregeln halten werden“, sagte sie der taz. Verdens Landrat Peter Bohlmann (SPD) kündigte an, die „neuen Chancen“ zu nutzen, die sich aus dem Gerichtsentscheid ergeben hätten. Auch das niedersächsische Innenministerium – das Dörverden im Umgang mit der Rieger-Immobilie berät – begrüßte gestern den Gerichtsbeschluss. Zu den potenziellen Auswirkungen wollte sich der Ministeriumssprecher allerdings nicht äußern.

Das ist nicht verwunderlich. Denn ob die Stadt Pößneck mit ihrem Vorstoß gegen den NPD-Politiker langfristig durchkommt, kann niemand sagen. Nach Angaben des Amtsgerichts hat Rieger die Möglichkeit, gegen den Beschluss beim Landgericht Jena Beschwerde einzulegen. Womöglich gelingt es ihm auch, die Abwicklung seiner Immobilien per einstweilige Verfügung zu stoppen. In Pößneck ist man dennoch optimistisch, Riegers Pläne dauerhaft durchkreuzt zu haben. Dem juristischen Coup, sagt Landrat Roßner, seien schließlich „erhebliche Vorarbeiten“ der Behörden vorausgegangen. ASTRID GEISLER