Hartz IV: Koalition wurstelt weiter

Ein Gesetz, das die Wohnkosten für Hartz-IV-Empfänger regelt, sorgt für Ärger: Zwei Bundesländer erhalten mehr Geld aus Berlin als die anderen. Opposition bezweifelt Verfassungsmäßigkeit – und schreibt Brief an Bundespräsidenten

AUS BERLIN KATHARINA KOUFEN

Der großen Koalition droht womöglich bald schon wieder eine Rüge des Bundespräsidenten. Vergangenen Freitag verabschiedete der Bundestag ein Gesetz, das die Kosten der Unterkunft von Hartz-IV-Empfängern regelt. Die Kosten tragen seit der Hartz-Reform die Kommunen. Der Bund zahlt hierfür einen Ausgleich. In dem Gesetz holten zwei Länder einen höheren Ausgleich für sich heraus. Das könnte nach Aussagen der Koalition verfassungswidrig sein. Erst vor sechs Wochen hatte Bundespräsident Horst Köhler seine Unterschrift unter ein Gesetz verweigert. Damals stoppte er die Privatisierung der Flugsicherung.

Hintergrund der aktuellen Streits: Sozial-und Arbeitslosenhilfe fielen 2005 zusammen und werden seitdem vom Bund bezahlt, das Wohngeld im Gegenzug von den Kommunen. Damals versprach die Regierung: Sollten wider Erwarten die Kosten für Wohngeld steigen, würde man „nach einer geeigneten Lösung suchen“. Tatsächlich schossen die Kosten in die Höhe, weil mehr Leute Arbeitslosengeld II beantragten als früher Sozialhilfe. Es begann ein Streit, wie viel Geld nun an die Kommunen zu überweisen sei. 5,5 Milliarden Euro forderten Länder und Kommunen, zwei Milliarden stellte der Bund in Aussicht. Schließlich wurde vereinbart, dass der Bund sich zu 31,8 Prozent an den Kosten beteiligen soll – mit insgesamt 4,3 Milliarden Euro.

Vergangenen Mittwoch wurde der Gesetzesantrag der Regierungskoalition in den Bundestag eingebracht – ohne Debatte, am Donnerstagmorgen dann in den Ausschuss. Ein paar Minuten vorher ließ die Koalition die Änderung einfügen, um die der Streit sich jetzt dreht: Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg erhalten einen höheren Ausgleich, alle anderen dafür weniger. Der Grund: Die beiden Länder würden durch die Regelung schlechter gestellt, weil dort besonders viele Menschen Arbeitslosengeld empfangen hätten, die nun auf Hartz IV umgestellt würden. Am Freitag wurde das Gesetz vom Bundestag verabschiedet – „alles ein Vorgang von 47 Stunden“, kritisiert der Grünen-Abgeordnete Markus Kurth. Für ihn ist die Neuregelung verfassungswidrig, weshalb er einen Brief an Köhler geschrieben hat. „Ich bitte Sie, den Gesetzentwurf nicht zu unterzeichnen, wenn Sie zu der Auffassung gelangen, dass die Einwände zutreffen.“ Heinrich Kolb von der FDP leistet Rückendeckung: Die Koalition habe „im Hauruckverfahren“ das Gesetz durchgepeitscht – „gegen besseres Wissen“: Schon am Mittwoch hätte es im Kabinett Bedenken gegeben.

Regierungssprecher Thomas Steg betonte, es gebe keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit. Der rheinland-pfälzische Finanzminister Ingolf Deubel sagte der taz: „Die Bundesregierung hat den Entwurf längst überprüft: keine Bedenken.“ Am 15. Dezember muss der Bundesrat zustimmen. Sollte Köhler Bedenken anmelden, bliebe der Regierung die Möglichkeit, den Entwurf ohne Sonderregel wieder hervorzuholen. Denn es eilt: Die Kommunen sind auf das Geld ab Anfang 2007 angewiesen.