„Er ist das Gesicht Berlins“

Parlamentspräsident Momper habe aber Schwierigkeiten, neutral zu sein, sagt der grüne Bundestagsabgeordnete Wolfgang Wieland. Er empfiehlt: Nicht zurücktreten, sondern den Fauxpas als Chance für einen Neuanfang begreifen

taz: Herr Wieland, wenn Sie Walter Momper einen Rat geben könnten, wie würde der aussehen – Parlamentspräsident bleiben oder zurücktreten?

Wolfgang Wieland: Da sich Walter Momper für seine Fehlleistung entschuldigt hat, erhebe ich persönlich keine Rücktrittsforderung. Er sollte aber überlegen, ob er seine Amtsführung nicht gründlich überdenken und ändern muss.

Worauf zielen Sie ab?

Das Hauptproblem scheint mir zu sein, dass Momper Schwierigkeiten mit der Überparteilichkeit hat. Das überrascht nicht. Momper war immer Parteipolitiker, in seinen Anfangsjahren sogar eine Art Rammbock der SPD-Linken. Er hat sich immer als sehr konfrontativer Politiker verstanden. Diesem Typus fällt das Überwechseln in eine präsidiale Rolle viel schwerer als beispielsweise dem Typus Diplomat.

Können Sie den Vorwurf fehlender Überparteilichkeit belegen?

Die Grünen-Fraktion hat viele Beispiele zusammengetragen, weswegen sie Momper gerügt hat. Bei der Leitung der Plenarsitzungen hat er nie einen Hehl daraus gemacht, dass er das rot-rote Bündnis bevorzugt.

Haben Sie in ihrer 16-jährigen Abgeordnetenhauszeit bessere Präsidenten erlebt?

Es gab Präsidenten, die sich mehr Mühe gegeben haben. Dazu gehört Hanna-Renate Laurien. Sie hatte die gleiche Schwierigkeit, eine starke, die CDU prägende Persönlichkeit zu sein und gleichzeitig die neutrale, überparteiliche Rolle ausfüllen zu müssen. Ihr sind auch die Pferde durchgegangen. Sie hat sich aber deutlich bemüht, dagegen anzukämpfen. Das sollte Momper auch tun. Er sollte bewusst auf die Opposition zugehen und das Ganze als Chance für einen Neuanfang begreifen. Aber man muss auch seine Stärken sehen.

Im Grunde ist ein Parlamentspräsident doch nichts anderes als ein Grüßonkel.

Er muss zwei Funktionen ausfüllen: den Parlamentsbetrieb zu managen und Berlin als erster Bürger der Stadt nach außen zu repräsentieren. Was Letzteres angeht, muss man ehrlicherweise konzedieren, dass Momper im In- und Ausland eine der bekanntesten Berliner Figuren ist.

Wegen seines Images als der Mann mit dem roten Schal?

Genau. Für eine Besuchergruppe aus Japan oder anderen Teilen der Welt ist es immer noch etwas Besonderes, von Walter Momper, dem Bürgermeister, als die Mauer fiel, begrüßt zu werden. Das hat für sie einen ganz anderen Rang, als wenn es jemand tut, dessen Namen sie noch nie gehört haben. Das Gesicht Berlins nach außen ist neben dem Regierenden Bürgermeister auch Walter Momper. Danach kommt auf Landesebene ganz lange niemand.

Gab es zu Ihrer Zeit mal eine richtige Fehlbesetzung im Präsidium?

Herwig Haase …

CDU Mitglied, von 1995 bis 1999 Parlamentspräsident …

… hatte große Probleme. Stichwort Gedenkrede für die Kriegsopfer, in der er Täter und Opfer zusammenrührte. Stichwort Kettensägenmassaker, bei dem er vor seinem Haus im Grenzbereich große Bäume eigenmächtig fällte. Bei den Vizepräsidenten fällt mir auf Anhieb Christoph Stölzl (CDU) ein. Nach der Bundestagswahl 2002 hat er gesagt: Die Wähler, die Schröder wiedergewählt haben, seien genauso irregeleitet wie die Wähler, die 1933 die Nazis an die Macht gebracht haben. Dafür hat er sich nicht mal richtig entschuldigt.

Interview: Plutonia Plarre