Grüne wollen jetzt echt mal drüber reden

Die Oppositionspartei plant eine Expertenkonferenz, um Wege aus der Finanzkrise zu finden. „Politik kann die Probleme nicht lösen“, so der Fraktionschef. Die Partei verlangt einen härteren Sparkurs – und setzt notfalls auf die APO

Die Grünen nehmen einen alten Spruch wörtlich: Wenn du nicht mehr weiterweißt, gründe einen Arbeitskreis. Sie wollen eine „Berlin-Konferenz“ organisieren, um das Schuldenproblem der Stadt zu lösen. „Nach dem Urteil des Verfassungsgerichts artikuliert sich viel zivilgesellschaftliches Engagement in der Stadt, Netzwerke wollen sich einmischen. Das muss die Politik aufnehmen“, sagte Fraktionschef Volker Ratzmann.

Für die Konferenz wollen sich die Grünen die Unterstützung aller Parteien holen – und in den nächsten Monaten Experten von Unis, Netzwerken und Stiftungen einladen. „Die Politik kann die Probleme Berlins allein nicht lösen“, begründet Ratzmann. Bei der CDU findet die Idee Anklang: Es komme darauf an, auf politischem Wege die Solidarität der Menschen über den Bund und die Länder zu erreichen, sagte Fraktionschef Friedbert Pflüger.

Kommissionen sind in Berlin beliebt – und sowohl Experten als auch Ideen ließen sich recyceln. Jüngstes Beispiel war die Enquetekommission. Sie suchte ab Februar 2004 nach Wegen aus der Finanzkrise; die Ergebnisse nach einjähriger Diskussion hat Rot-Rot meist ignoriert.

Das soll sich nicht wiederholen. Die grüne Fraktionschefin Franziska Eichstädt-Bohlig stellt schon mal eine außerparlamentarische Opposition in Aussicht: Falls die Regierung bei Ideen nicht mitziehe, müsse man diese Ideen eben mit Netzwerken und in den Bezirken umsetzen. Die Grüne verlangt einen strikten Sparkurs: Der Solidarpakt im öffentlichen Dienst müsse fortgeschrieben werden, Vivantes, BVG und Wohnungsunternehmen dürften nicht „Risikoposten“ des Haushalts sein.

Letztere wollen die Grünen durch Verkäufe entschulden. „Wer heute verspricht, keine Wohnungen zu verkaufen, der lügt“, so Ratzmann. Er habe den Verdacht, Rot-Rot bastele den Koalitionsvertrag so zusammen, dass ihn die Parteitage von SPD und Linkspartei absegnen könnten. „Aber danach werden sie eine andere Politik betreiben.“

Die grünen Fraktionschefs, die zunächst für ein Jahr gewählt sind, achten auch in eigener Sache auf ein klares Profil. Das Ranschmeißen an die SPD in den Sondierungen und die frühe Forderung nach Senatorenposten kamen in ihrer Fraktion nicht gut an. Bei den Vorstandswahlen bekam Eichstädt-Bohlig 19 von 23 Stimmen, Ratzmann nur 15. Ein Fraktionsmitglied sagt: „Das eine Jahr kann man als Probezeit verstehen.“ ULRICH SCHULTE