Basteln statt Blaumachen

Schulschwänzer werden normalerweise von der Polizei zu Hause abgeholt. Beim Projekt „2. Chance“ kümmern sich Sozialarbeiter um sie. Gelsenkirchen hat daraus eine erste Bilanz gezogen

VON JULIA GROTH

Wer oft die Schule schwänzt und deshalb vielleicht keinen Abschluss bekommt, hat später im Leben nichts zu lachen. Um den Kreis aus schlechten Noten, Unlust und noch schlechteren Noten zu durchbrechen, hat das Bundesfamilienministerium im vergangenen Herbst das Projekt „Schulverweigerung - Die 2. Chance“ ins Leben gerufen. Mit einer intensiven Betreuung sollen Schulschwänzer ermutigt werden, wieder regelmäßig in den Unterricht zu gehen. In Gelsenkirchen, einer der 14 beteiligten NRW-Städte, haben die Projektleiter jetzt eine vorläufige Bilanz gezogen.

Der erste Schulschwänzer werde Anfang Februar in die reguläre Schule zurückkehren, sagt Iris Schappert, Leiterin der Abteilung Jugendhilfe und Schule des Gelsenkirchener Jugendamtes, zufrieden. Nach fünf Monaten Sonderbetreuung statt regulärer Schule soll er sich wieder an den normalen Unterricht gewöhnen. „Es hat noch kein Schüler das Programm abgebrochen“, sagt Schappert. Bis Ende des Monats sollen fünf weitere Jugendliche an dem Projekt teilnehmen. 30 werden es dann sein, die von zwei Sozialarbeiterinnen mehrmals pro Woche in der Schule besucht werden, damit sie lernen, Konflikte zu lösen anstatt vor ihnen davon zu laufen. Diejenigen von ihnen, die sich weigern, überhaupt zur Schule zu gehen, werden für maximal ein Jahr in einer Schülerwerkstatt oder einer Einrichtung der Jugendhilfe ganztägig betreut.

Dort können sie beispielsweise Möbel bauen, denn sichtbarer Erfolgt soll das Selbstvertrauen stärken. Und das fehlt vielen der meist 14- bis 15-jährigen Schulschwänzer. Unterricht bekommen sie in den Betreuungseinrichtungen auch, aber weniger als in der Schule und nur in kleinen Gruppen.

Schulleiter Gernot Samsel sieht es allerdings kritisch, hartnäckige Schulverweigerer vorübergehend außerhalb der regulären Schule zu betreuen. „Die Erfolgsquote bei ähnlichen Projekten war nicht besonders hoch“, sagt er. „Man muss skeptisch bleiben.“ In seiner Schule, der Hauptschule „Am Dahlbusch“ im Gelsenkirchener Stadtteil Rotthausen, den er selbst als sozialen Brennpunkt bezeichnet, nehmen drei Schüler an dem Projekt teil. Sie werden in erster Linie im normalen Unterricht betreut.

In Real-, Haupt- und Gesamtschulen ist der Anteil der Schulschwänzer besonders hoch, schätzt Samsel. Er vermutet, dass das häufig an einer prekären Familiensituation liegt. „Viele sind nicht motiviert, in die Schule zu gehen, weil sie andere Probleme haben.“ Generell sei er froh über das Projekt „2. Chance“, weil es die Schulen ein wenig von der Verantwortung für die Schulschwänzer entlaste.

Um widerspenstige Schüler in den Unterricht zu bekommen, müssen Schulen normalerweise das Ordnungsamt benachrichtigen. Das schickt dann Polizisten zur Wohnung der Schulschwänzer, die sie zur Schule eskortieren. Wenn die Jugendlichen älter als 14 Jahre sind, müssen sie ein Bußgeld zahlen. Sind sie jünger, übernehmen es die Eltern. Iris Schappert vom Jugendamt hält diese hergebrachte Methode für wenig sinnvoll. „Die Probleme liegen ja nicht auf dem Schulweg“, sagt sie.

Für den Erfolg des Projekts sieht Schappert gute Chancen. Billiger für die Stadt Gelsenkirchen, als einige der Jugendlichen in Heimen unterzubringen, ist es auch. Ein Heimplatz kann etwa 3.000 Euro im Monat kosten. Für das Schulschwänzer-Projekt zahlt die Stadt 650 Euro pro Monat und teilnehmendem Schüler und bekommt 500 Euro vom Bund dazu.

Bei einigen Jugendlichen sitze die Abneigung gegen die Schule allerdings so tief, dass kaum etwas zu machen sei, sagt Schappert. Doch selbst Skeptiker Samsel meint: „Ein Fünkchen Hoffnung bleibt immer. Und wir sind Pädagogen, wir probieren jedes Konzept.“