Olmert stabilisiert seine Regierung

Israels Regierungschef erweitert die Koalition um eine ultrarechte Partei. Deren Chef Lieberman macht eine Reform des Regierungssystems zur Bedingung. Damit tritt das Land den langen Weg zu einem Präsidialsystem an. Aber es gibt auch Kritik

AUS JERUSALEM SUSANNE KNAUL

Der Einmarsch des ultrarechten Avigdor Lieberman ins Jerusalemer Regierungshaus ist unter Dach und Fach. Lieberman, Chef von „Israel Beteinu“ („Unser Haus Israel“) und Premierminister Ehud Olmert trafen gestern zusammen, um die letzten Details zu klären. Noch vor zwei Monaten prophezeiten politische Gegner und Journalisten das baldige politische Ende Olmerts. Ab kommender Woche steht der Regierungschef einer so stabilen Koalition vor, wie es sie lange nicht mehr gab. Mit 78 von insgesamt 120 Knesset-Mandaten braucht er nicht einmal mehr die Abstimmungen über den Haushalt zu fürchten.

Das sind ungewöhnlich gute Bedingungen für den Regierungschef eines Staates, in dem durchschnittlich nicht alle vier, sondern alle zwei Jahre gewählt wird. Zudem soll die Einführung des Präsidialsystems und die Anhebung der Sperrklausel die Regierung künftig stabiler machen. Beides machte Lieberman zur Bedingung für seinen Koalitionsbeitritt. Offen bleibt vorerst, ob die Sperrklausel für den Einzug von Kleinstparteien in die Knesset tatsächlich von heute 2,5 Prozent auf 10 erhöht werden wird, wie Lieberman es fordert. Olmert, der weder ein begeisterter Anhänger des Präsidialsystems ist noch für große Sprünge bei der Sperrklausel, plädiert für eine „realistische“ Anhebung, ohne Zahlen zu nennen.

Für die Abgeordnete der Arbeitspartei Scheli Jechimowitsch steht außer Frage, dass ihre Fraktion die Koalition verlassen müsse, sobald Lieberman in die Regierung einzieht. Die Ziele der „Israel Beiteinu“ stehen in „direktem Gegensatz zu unserer politischen und sozialen Agenda“, schimpft die populäre ehemalige Rundfunkjournalistin gegen den Irrglauben, man könne den Friedensprozess oder „Gleichberechtigung der arabischen Israelis“ besser vorantreiben, indem man die Koalition auf diese Art vergrößere. Das „Gestottere“ in der Fraktion gefalle ihr gar nicht, sagt Jechimowitsch, die an ihre Parteigenossen appelliert, „diesem seltsamen Kompromiss nicht zuzustimmen“.

Noch vor dem Regierungseinzug Liebermans, der das eigens für ihn erschaffene Amt eines „Ministers für nationale Strategie-Angelegenheiten“ besetzen soll, müssen die Parlamentarier um Zustimmung gefragt werden. Trotz der kritischen Stimmen in der Arbeitspartei wird die Koalitionserweiterung eine klare Mehrheit erreichen. Fraglich ist hingegen, ob das Präsidialsystem von den Abgeordneten gestützt wird. In den Reihen der Kadima wird bereits an einem Alternativvorschlag gefeilt.

Der Gesetzesvorschlag zur Änderung des Regierungssystems, so schreibt der politische Analyst der auflagenstärksten Tageszeitung Yediot Achronot Ilan Marsiano, „muss einen langen Weg zurücklegen“. Es sei fraglich, ob es, wenn überhaupt, noch während der laufenden Regierungsperiode zur einer Verabschiedung kommen wird. Lieberman habe sich billig verkauft, so Marsiano. Von seinen anfänglichen Forderungen, darunter die Errichtung einer staatlichen Untersuchungskommission zum Entscheidungsprozess während des Libanonkrieges und die Möglichkeit standesamtlicher Eheschließung, bliebe kaum etwas übrig.

Scharfe Kritik kommt auch von den Oppositionsparteien. Swulun Orlev, Chef der national-religiösen Partei Mafdal, will nicht verstehen, warum „Lieberman in eine Regierung einzieht, in der er eine Minderheit bleiben wird und nichts bewirken kann“. Umgekehrt fragt Jossi Beilin, Chef der linken Liste Meretz, welche politische Agenda die Regierung überhaupt noch verfolgt, außer die Koalition zu erweitern und das System zu verändern. Beides seien, so stimmt die sozialdemokratische Jechimowitsch zu, „lediglich Mittel, keine Ziele“.