Renaissance der Dreckschleudern

Die Stromerzeuger in NRW erneuern ihre Kohlekraftwerke, um weiterhin den fossilen Brennstoff nutzen zu können. Umweltschützer kritisieren: „Historische Chance zum Ausstieg verpasst“

VON MORITZ SCHRÖDER

NRWs Kraftwerksbetreiber wollen sich nicht von der Kohle trennen. In Weisweiler und Grevenbroich sind momentan zwei Kohlekraftwerke von RWE im Bau. Landesweit sollen bis 2012 sieben neue Anlagen von verschiedenen Betreibern entstehen. Immer noch wird der Strom im Land zu 87 Prozent mit dem fossilen Brennstoff produziert. „Die Kohle wird Bestand haben“, sagt Andre Bauguitte vom Essener Stromerzeuger RWE-Power. Klaus Görner vom Lehrstuhl für Anlagentechnik an der Universität Duisburg/Essen spricht sogar von einer „Renaissance der Kohle“.

Ebenfalls bis 2012 muss allerdings der Ausstoß des klimaschädlichen Kohlendioxid in NRW sinken, um Deutschlands Klimaziele erreichen zu können. Bundesweit sollen bis dahin die CO2-Emissionen um 21 Prozent sinken. Umweltverbände sind skeptisch: „Ein neues Kraftwerk läuft 40 Jahre lang. NRW verpasst die historische Chance, aus der klimaschädlichen Kohleverbrennung auszusteigen“, sagt Dirk Jansen, Sprecher des Aktionsbündnisses „Zukunft statt Braunkohle“, das zuletzt gegen den Neubau in Grevenbroich protestiert hat.

Wirtschaftlich lohnt sich die Kohle als Energieträger für die Stromerzeuger nach wie vor. Die zurückgehende Förderung von Steinkohle im Ruhrgebiet wird schon jetzt durch Importkohle ausgeglichen: Laut dem europäischen Fachverband der Stromerzeuger VGB PowerTech kommt die verfeuerte Steinkohle in Deutschland schon zu rund 60 Prozent aus dem Ausland. Die drei Braunkohlegebiete im Rheinland, Europas größtes Vorkommen, beliefern die Kraftwerke weiterhin wegen der kurzen Transportwege besonders günstig.

Das weiß auch Landes-Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU). Trotz Steinkohle-Ausstieg und Klimaschutz soll der Energieträger Kohle seine Stellung auf dem Energiemarkt in NRW behalten. „Wir drängen die Betreiber, die Effizienz zu steigern“, so Thobens Sprecher Joachim Neuser. Ein Gesamtkonzept des Landes für den Klimaschutz werde momentan entwickelt. Bisher ist vorgesehen, dass die Energiekonzerne bis 2011 im Bundesland 13,8 Millionen Tonnen von dem klimaschädlichen CO2 einsparen. Das ist ein fernes Ziel. Allein das im Bau befindliche RWE-Braunkohlekraftwerk in Grevenbroich wird nach Schätzungen von Experten des Essener Lehrstuhls für Anlagentechnik jährlich über 15 Millionen Tonnen CO2 ausstoßen.

Die Stromerzeuger wollen daher den Wirkungsgrad der Kohle erhöhen, um mehr Energie bei der Verbrennung zu gewinnen und durch eingesparte Kohle gleichzeitig weniger Kohlendioxid zu produzieren. „Wir haben ein umfangreiches Forschungsprogramm“, sagt Bauguitte von RWE-Power. Bis zum Jahr 2014 werde der Konzern zwei Milliarden Euro für die Entwicklung eines CO2-freien Kraftwerks ausgeben.

Weil aber durch Abtrennungsverfahren in den Anlagen viel Energie aufgewändet werden muss, dürfte sich ein Kohlendioxid-freies Kraftwerk für die Betreiber nicht lohnen: „70 bis 90 Prozent Abtrennung sind sinnvoll“, so Görner. Vor allem bei Anlagen mit Braunkohle, die besonders viel CO2 ausstoßen, sei das Verfahren aufwändig. Umweltverbände fordern daher die Schließung von umweltschädlichen Anlagen: „Es gibt kein CO2-freies Kraftwerk“, sagt Jansen.

Kohlendioxid-Abtrennung sei nicht nur aufwändig, sondern auch problematisch. RWE etwa möchte das CO2-freie Kraftwerk durch die Speicherung des Gases erreichen. „Die Frage ist aber: Wo soll das Kohlendioxid danach hin?“, kritisiert Gabriela von Goerne, Klimaexpertin bei Greenpeace. RWE plant, das Gas unter Tage zu lagern, womit das Problem für die Kritiker nicht aus der Welt geschafft ist. Jansen fordert daher: „Die Kohle-Vorrang-Politik der Bundes- und Landesregierung muss aufhören. Das hat mit Klimaschutz nichts zu tun.“