KREBSE UND BAKTERIEN
: Rote Karte

Gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 1 Infektionsschutzgesetz

Es gibt bei allem ein erstes Mal. Nach der ersten Zigarette, dem ersten Sex, dem ersten Liebeskummer, der ersten eigenen Wohnung habe ich nun zum ersten Mal eine „Belehrung gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 1 Infektionsschutzgesetz“ absolviert. Die braucht man, um die „Bescheinigung nach § 43 Abs. 1 Nr. 1 IfSG“ zu bekommen. Früher hieß das Gesundheitspass oder auch rote Karte, weil die Bescheinigung auf rotes Papier gedruckt ist. Sie ist nötig, wenn man gewerbsmäßig Lebensmittel wie Fleisch, Milch, Eiprodukte, Speiseeis, Backwaren, Fische oder Krebse herstellen, behandeln oder in Verkehr bringen, also in einem gastronomischen Betrieb arbeiten will. Deshalb bin ich beim Gesundheitsamt Charlottenburg-Wilmersdorf.

Wartenummer ziehen, Anmeldung ausfüllen, 20 Euro zahlen, auf die Belehrung warten. Mit mir tun das etwa 25 schweigende Männer und Frauen. Nach einem ersten Blick auf die vielen Broschüren, die fein säuberlich im Warteraum liegen, überkommen mich Zweifel am Umgang mit Krebsen. „Krebs – wer ist gefährdet?“, lese ich. Weiter geht es mit Brustkrebs, Gebärmutterkrebs, Eierstockkrebs, Krebs im Kindesalter, Hodenkrebs und und und. Erst als ich Magen- und Darmkrebs lese, bin ich wieder bei Essen und Trinken.

In dem Informationsfilm, den wir uns ansehen müssen, geht es weniger um Krebse als um Bakterien, gründliches Händewaschen und Anzeichen von Magen-Darm-Grippe oder Lebensmittelvergiftungen, die ein Kantinenmitarbeiter eindrucksvoll vorführt. Nach einer halben Stunde bekommt jeder seine Bescheinigung. Zum Schluss betont die nette Dame vom Gesundheitsamt, dass das Papier unbefristet gültig ist. Für 20 Euro kann man das wohl erwarten. Es gebe, betont sie, „noch ein paar nette Arbeitgeber“, die das Geld erstatten würden. Verpflichtet seien sie dazu aber nicht. Jetzt bin ich mal gespannt.

BARBARA BOLLWAHN