Katalonien bekommt mehr Autonomie

Mit klarer Mehrheit, aber für katalanische Verhältnisse rekordverdächtig niedriger Wahlbeteiligung ist am Wochenende das neue Autonomiestatut für Katalonien angenommen worden. Damit ist Katalonien jetzt offiziell als „Nation“ definiert

AUS MADRID REINER WANDLER

„Liebe Bürger: Wir haben ein Statut“, rief der Präsident der katalanischen Autonomieregierung, der Sozialist Pasqual Maragall, am Sonntagabend in die Fernsehkameras. Das Ergebnis der Volksabstimmung über ein neues Autonomiestatut, das Katalonien mehr wirtschaftliche und politische Rechte als bisher zugesteht, war ganz in seinem Sinne ausgefallen. 73,9 Prozent sprachen sich für mehr Sonderrechte für die Region im spanischen Nordwesten rund um Barcelona aus. 20,8 Prozent stimmten mit Nein, der Rest gab eine ungültige Stimme oder einen leeren Umschlag ab.

„Ein runder und durch nichts anzufechtender Sieg“, jubelte Maragall. Sein in Madrid regierender Parteifreund, der spanische Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero, stimmte ein: „Breiteste Unterstützung“ machte auch er aus. Ein perfekter Wahlabend, wäre da nicht ein Schönheitsfehler: Nur 49,4 Prozent der 5,2 Millionen Wahlberechtigten hatten den Weg zur Urne gefunden. Noch nie in der Geschichte der spanischen Demokratie hatten – mit Ausnahme des Referendums über die EU-Verfassung – in Katalonien so wenige Bürger abgestimmt.

„Hätten wir anderswo in Europa gewählt, wäre das Ergebnis nicht akzeptiert worden, denn die Beteiligung liegt unter 55 Prozent“, erklärte der Vorsitzende der Republikanischen Linken Kataloniens (ERC) Josep Lluis Carod-Rovira noch am Wahlabend mit Blick auf Montenegro. Seine Partei hatte zum „No“ gerufen. „Katalonien verdient mehr“, war der Slogan der nach Unabhängigkeit strebenden Partei.

Aus den Reihen der konservativen Opposition, der Partido Popular (PP), kamen noch herbere Töne. Die niedrige Beteiligung sei „eine persönliche Niederlage“ von Regierungschef Zapatero, erklärte der PP-Vorsitzende Mariano Rajoy. Auf den Zensus hochgerechnet habe nur ein Drittel der Wahlberechtigten dem neuen Statut zugestimmt. Der Rest blieb entweder aus Desinteresse zu Hause oder stimmte mit Nein. Die Konservativen hatten gegen das Statut Wahlkampf gemacht. Sie fürchteten um die Einheit Spaniens, denn im neuen Statut wird Katalonien ausdrücklich als Nation definiert. Die PP kündigte gestern an, gegen einzelne Punkte des Statuts vors Verfassungsgericht zu ziehen.

Mit dem neuen Statut können die Katalanen künftig mehr Steuern als bisher selbst bestimmen. Auch die Justiz wird von der Zentralregierung unabhängiger. In vielen Bereichen wird Katalonien künftig nur noch bilaterale Beziehungen zu Madrid unterhalten und nicht mehr den Gesetzen unterstehen, die im gesamtspanischen Parlament verabschiedet werden.

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