Strafgerichtshof „hat sich bewährt“

VÖLKERRECHT Auf der Überprüfungskonferenz des IStGH lobt Chefankläger Moreno-Ocampo die präventive Wirkung des Weltgerichts. Jetzt will er die offenen Haftbefehle vollstreckt sehen – mit Hilfe der USA

„Es ist Zeit für euch, aktiv zu werden“, sagt Ocampo – ein Seitenhieb gegen das Gastland Uganda

AUS KAMPALA SIMONE SCHLINDWEIN

Chefankläger Luis Moreno-Ocampo hat eine positive Bilanz der siebenjährigen Arbeit des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) gezogen. Das Konzept habe sich bewährt, erklärte Ocampo gestern vor Journalisten auf der ersten Überprüfungskonferenz zum IStGH-Statut in Ugandas Hauptstadt Kampala. Die wenigen Fälle, die er als Strafverfolger ermittle, würden einen präventiven Effekt erzeugen, solange es sicher sei, dass niemand dem IstGH entkomme. Ein Beispiel: Eine Miliz in Nepal habe rund 3.000 Kindersoldaten freigelassen, noch bevor ein Urteil über den kongolesischen Milizenführer Thomas Lubanga gesprochen ist, der seit letztem Jahr wegen Zwangsrekrutierung von Kindersoldaten in Den Haag vor Gericht steht. Lubanga ist der erste Fall, der vor dem Internationalen Strafgerichtshof zur Verhandlung kam.

„Das Zeitalter der Straflosigkeit ist vorbei“, sagt der Chefankläger. Vertreter von 111 Mitgliedsstaaten, Mitarbeiter des IStGH, Delegierte der Vereinten Nationen und Menschenrechtsorganisationen haben sich in Kampala versammelt, um bis zum 11. Juni eine Bestandsaufnahme der Arbeit des Gerichtshofs zu machen und über eine Reform des Rom-Statuts zu beraten. 5 Fälle werden derzeit in Den Haag verhandelt, 13 Haftbefehle sind ausgeschrieben, sagt Ocampo und fordert nun mehr Unterstützung von den Mitgliedstaaten. „Es ist Zeit für euch, aktiv zu werden“, sagt er – ein Seitenhieb gegen das Gastland Uganda und die Nachbarn Sudan und Demokratische Republik Kongo, die es nicht schaffen, die in Den Haag angeklagten mutmaßlichen Kriegsverbrecher aus ihren jeweiligen Ländern zu verhaften.

Dass die erste internationale Konferenz zur Überprüfung des Rom-Statuts des IStGH in Uganda stattfindet, ist kein Zufall. Uganda war im Jahr 2004 das erste Land, das einen Fall an den Strafgerichtshof übergab: die Führung der Miliz „Widerstandsarmee des Herrn“ (LRA), die seit über 20 Jahren Krieg führt – zuerst in Norduganda, heute in der Demokratischen Republik Kongo, im Sudan und in der Zentralafrikanischen Republik. Seinen ersten internationalen Haftbefehl erließt der IStGH 2005 gegen LRA-Anführer Joseph Kony. Doch der Fall Kony zeigt auch: Der IStGH ist ein zahnloser Tiger. Er verfügt über keine eigenen Polizeieinheiten, die Haftbefehle ausführen können. Er ist auf die nationalen Armeen angewiesen. Ugandas Armee jagt seit über 20 Jahren in verschiedenen Ländern nach Kony – bislang vergeblich. „Dieser Fall zeigt die Kosten der Straflosigkeit“, sagt Ocampo.

Im Fall Kony setzt Ocampo nun ausgerechnet auf Unterstützung durch die USA, eigentlich ein entschiedener Gegner des IStGH. Letzte Woche unterzeichnete US-Präsident Barack Obama ein vom Kongress verabschiedetes Gesetz, das es den USA ermöglicht, die LRA im afrikanischen Busch zu jagen – auch mit Drohnen. „Wir brauchen diese Maßnahmen, um Kony und die LRA zu stoppen“, sagt Ocampo. Ein Eingeständnis der eigenen Schwäche.