CDU kürt Pflüger zum Verlierer

Der frisch gewählte Spitzenkandidat Friedbert Pflüger gibt den smarten Herausforderer. Dazu fordert er „Null Toleranz“ und eine Abkehr von der „Staatsreligion Multikulti“

Eigentlich war die Wahl reine Formsache: Mit 96,8 Prozent der abgegebenen Stimmen stimmte erwartungsgemäß die überwältigende Mehrheit – 276 der 285 Delegierten des CDU-Landesparteitags – für Friedbert Pflüger als Spitzenkandidat bei der Abgeordnetenhauswahl. Der mediale Aufwand sprach eine andere Sprache: „Goldpflüger“ prangte auf Plakaten am Tagungsort, im Babylon-Kino am Rosa-Luxemburg-Platz, darunter ein in James-Bond-Manier posierender Pflüger. Beim Einmarsch des Wowereit-Herausforderers sorgte Popmusik für Stimmung unter den 288 Delegierten. Der Scorpions-Song „Moment of Glory“ untermalte einen Werbefilm. Smarte GewinnerInnen, sollte das wohl suggerieren, wählen CDU.

Dabei liegt die Partei weit hinter der SPD bei rund 24 Prozent. Wer wollte, konnte der Union Selbstironie zubilligen. Doch das war es nicht allein. Die Parteitagsregie wollte signalisieren, dass man das Rennen noch nicht aufgegeben hat. Als würde er bereits regieren, versprach Pflüger, er werde erfolgreicher bei der Anwerbung „nachhaltiger Investitionen“ sein als Klaus Wowereit. Was für die unionsregierten Bundesländer gelte, solle zum Vorbild eines CDU-regierten Berlins werden: „bessere Schulen, mehr Lehrer, mehr Polizisten, mehr Wachstum, weniger Arbeitslose“. Negativschlagzeilen wie über die Rütli-Oberschule dürften sich nicht wiederholen. Eine CDU-Regierung werde „Schluss machen mit rechtsfreien Räumen und Gewalt an unseren Schulen“. Anders als SPD und Linkspartei, die „Multikulti zur Staatsreligion“ erhoben hätten.

Gastrednerin Angela Merkel hatte einen ehrgeizigen Auftrag für die westlastige Hauptstadt-Union: „Wir dürfen nie den Anspruch aufgeben, auch in den östlichen Stadtteilen Volkspartei zu sein“, so die Kanzlerin. Ihrer Prophezeiung, Berlin werde „nicht der große Industriestandort werden“, sondern müsse Dienstleistungen und Wissenschaft fördern, hätten sicher alle Berliner Parteien zugestimmt.

Der Bund sei sich seiner Verantwortung für die arme Hauptstadt bewusst. Aber das erfordere eine Landesregierung, deren Politik außerhalb der Stadt nachvollziehbar sei. Sprich: Mehr Geld vom Bund gibt es nur, wenn die CDU regiert. Merkels Lob für Pflüger zeigte, wie frisch der Streit in der Union noch ist. „Wenn Sie sich nicht mehr selbst im Weg stehen – und das tun Sie seit ein paar Wochen nicht mehr –, dann können Sie es schaffen.“ Die Delegierten taten, was in der peinlichen Situation nahe lag: Sie lachten. MATTHIAS LOHRE