Ohne Ende Indien

Ananda Shankar war bei den Hippies so beliebt wie in Indien. Eine neue Compilation präsentiert das Werk des 1999 verstorbenen indischen Musikers, der Rock und Raga, Lounge und Exotica verband

VON PAUL PAULUN

Ob als Partnerland der Hannover-Messe im April, Gastland der diesjährigen Frankfurter Buchmesse oder in Form von Ayurveda, Bhangrapartys und Yoga: Indien ist überall. Mitunter quäken einem Bollywoodsoundtracks sogar aus scheppernden Lautsprechern in Pförtnerlogen entgegen. Der Subkontinent scheint für jeden Geschmack etwas parat zu halten, das sich so nahtlos ins eigene Leben integrieren lässt wie Sushi oder Caffè Latte.

Aktuellstes Beispiel dafür ist Ananda Shankar: Komponist, Choreograf und nebenbei auch Neffe des Sitarveteranen und Altmeisters Ravi Shankar. Als Sohn eines Tänzerehepaars verbrachte er einige Zeit seiner Kindheit auf Reisen mit den Eltern durch die USA und hegte schon früh den Wunsch, Elemente der beiden Kulturen miteinander zu verbinden. Er studierte zunächst fünf Jahre klassische indische Musik an der renommierten Universität von Banares, bevor es ihn Ende der Sechziger aufgrund der Krankheit seines in Kalifornien lebenden Vaters für 18 Monate nach San Diego verschlug, wo die Hippiebewegung gerade in voller Blüte stand.

Der Legende nach erlernte Jimi Hendrix während dieser Zeit von Ananda Shankar das Sitarspiel, während dieser selbst sich von Led Zeppelin und Janis Joplin ebenso beeindruckt zeigte wie von elektronischer Musik. Seine ersten Verbindungen aus Rock und Raga wurden mit Gitarre, Drums, Bass, Moog-Synthesizer, Tabla und Sitar eingespielt und erschienen 1970 als Platte. Sie war schlicht „Ananda Shankar“ betitelt und enthielt neben Versionen von „Jumping Jack Flash“ oder „Light My Fire“ auch Interpretationen klassischer indischer Stücke wie „Sagar“ oder „Raghupati“.

Dem Titel der aktuellen Doppel-CD „A Life in Music“ zum Trotz findet man auf ihr keine Musik aus diesem Lebensabschnitt Ananda Shankars. Auch von den bis kurz vor seinem frühen Tod 1999 mit Vertretern des britischen Asian Underground wie Talvin Singh und State of Bengal aufgenommenen Produktionen ist nichts zu hören. Was bleibt, ist Musik aus den Jahren 1975 bis 1984 (im Booklet werden einige wiederveröffentlichte Stücke fälschlicherweise als aktuelle Produktionen gelistet) – jener Zeit, in der Ananda Shankar seine größten Erfolge feierte.

Sein Debüt war bei kalifornischen Hippies ebenso beliebt wie in Indien, wo er aus Radio und Fernsehen plötzlich nicht mehr wegzudenken war. Er begann von Tänzern begleitete Orchestermusik zu schreiben und erhielt 1974 für den Soundtrack zum Film „Chorus“ den Indian National Award, ein Äquivalent zum Grammy. 1978 beauftragte ihn die indische Tourismuszentrale eine Platte aufzunehmen, die Reiseziele und Kultur des Landes musikalisch interpretieren sollte. Auch hierbei gelang dem als Modernisierer indischer Musik geltenden Komponisten der Spagat, einerseits neu zu klingen und gleichzeitig den Traditionen verbunden zu bleiben. Im Gegensatz zu den übrigen an westlichen Popstandards interessierten Musikern seines Landes behielten die indischen Elemente bei Ananda Shankar stets die Oberhand.

Viele der nun zusammengetragenen 22 Instrumentalstücke wirken immer noch aktuell und schmiegen sich eng an heutige Marktsegmente wie Easy Listening, Loungemusik oder Exotica. Manche seiner Arrangements aus Sitar, gut abgehangenen Drumrhythmen, Glöckchen, Gitarre und streckenweise entlang der Schmerzgrenze quengelnden Moogs waren sogar so visionär, dass der Electronica-Produzent David Holmes den Tracks „Dancing Drums“ und „Jumping Jack Flash“ bereits 1998 höhere Weihen verlieh, indem er sie auf eine Mix-Compilation packte. Auch wenn einige Stücke aus heutiger Sicht leicht angestaubt klingen, haftet der Musik Ananda Shankars durchweg etwas von der zeitlosen Eleganz anderer großer Orchestermusik vom Schlage Esquivels oder Ennio Morricones an.

Ananda Shankar: „A Life in Music“ (BeatScience/Saregama/Rough Trade)