Deutsche Entwicklungshilfe: Versprochen ist versprochen
Über 30 EntwicklungspolitikerInnen aus allen Fraktionen fordern, das 0,7 Prozent-Ziel zur Finanzierung von Projekten einzuhalten. Doch dafür werden Milliarden benötigt.
BERLIN taz | Freitagvormittag, Saal "Hamburg" in der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft nahe dem Bundestag: Ein runder Tisch, alle Fraktionen sind vertreten. Heute kommt es auf Symbolik an. Auf Initiative von Entwicklungspolitikern aller Parteien soll ein neuer Versuch gestartet werden, die Finanzierung von Entwicklungshilfe dauerhaft zu steigern.
"Was die Briten können, können wir auch", sagte der Grünen-Entwicklungspolitiker Thilo Hoppe, der Mitinitiator der Aktion ist, mit Blick auf die erfolgreichen Bemühungen Großbritanniens in diesem Bereich. Neben Hoppe gehören auch Holger Haibach (CDU), Heike Hänsel (Linke), Bärbel Kofler (SPD), Harald Leibrecht (FDP) und Sabine Weiss (CDU) zu den Erstunterzeichnern des Aufrufs "Das Versprechen einhalten". Mittlerweile hat sich die Anzahl auf rund 30 Entwicklungspolitiker erhöht.
Ziel ist es, die internationale Zusage Deutschlands einzuhalten, bis 2015 rund 0,7 Prozent des erwirtschaften Geldes für Güter und Dienstleistungen für Hilfsprojekte auszugeben. Die Marke gibt es bereits seit Jahrzehnten, Deutschland hat sie nie auch nur annähernd erreicht. Doch seit 2005 gibt es feste Zusagen für steigende Mittel - und auch dort hinkt die Bundesregierung weit hinterher. 0,51 Prozent hätten 2010 erreicht sein sollen, nur rund 0,4 Prozent waren es.
Die Initiative hat nun errechnet, dass bis zu 1,2 Milliarden Euro pro Haushaltsjahr für Entwicklungshilfe ausgegeben werden müssten, um das 0,7-Prozent-Ziel doch noch zu erfüllen. Eine für den kleinen Entwicklungsetat erhebliche Summe. Rund 20 Prozent der aktuellen Gesamtaufwendungen müssten pro Jahr hinzukommen. Zudem haben sich bisher nur Fachpolitiker an der Aktion beteiligt - und das ist vielleicht die entscheidende Schwierigkeit: Denn in der Realität können die Fachleute viel fordern - wenn Haushälter und Finanzministerium nicht mitmachen, gibt es auch keine Mittelerhöhung.
Erste Gespräche habe es mit den Kollegen darüber bereits gegeben, sagte der FDPler Harald Leibrecht. Nun wolle man auch die Haushaltspolitiker aller Fraktionen an einen Tisch bekommen und über die Finanzierungsziele beraten. "Mir wurde das Vorhaben nicht ausgeredet", sagte Leibrecht. Mehr war wohl noch nicht drin.
Leser*innenkommentare
Gert Nehmer
Gast
War die FDP noch so ehrlich, Ihre Position gegenüber "Entwicklungshilfe" offen darzulegen, indem sie in den letzten Koalitionsverhandlungen für die Eingliederung der Entwicklungshilfe unter das Wirtschaftsministeriums eintrat, protestieren nun scheinheilig gegen die Entwicklungspolitik der schwarz-gelben Koalition. Scheinheilig ist es, da die vorherige von Rot-Grün angestrengte Umstrukturierung von "Entwicklungshilfe" zu "Entwicklungszusammenarbeit" eine reine Umetikettierung und Imagekampagne ist. Die "Entwicklungshilfe" ist Bestandteil kapitalistischer nationalstaatlicher Interventionspolitik zur Erhalt der Machposition BRD/EU; was die Politiker_innen so selbstverständlich nicht sagen würden. Gleichzeitig dienen die mit Entwicklungshilfe verbundenen Investitionen als Subventionen für hiesige Unternehmen. Die "Entwicklungshilfe" als Institution ist wichtiges Propagandamittel des Staates, um den eigenen Bürger_innen vorzugaukeln, dass der Staat sowie die Bürger_innen selbst als Steuerzahler_innen Gutes täten und Verbesserungen der Lebensbedingungen von Menschen in Afrika erreichen könnten. Das tatsächliche Wirken des eigenen wirtschaftlichen Handelns wird damit verschleiert und verklärt ebenso wie die eigene Machtposition und die Ursachen für der Misere in den Zielländern der "Entwicklungshilfe". Denn Verursacher der Misere ist u.a. der deutsche Staat als kapitalistischer Rahmengeber und die Bürger_innen als Konsument_innen, Weiterverarbeiter_innen von Ausbeutungswaren aus dem Trikont (Afrika, Asien, Lateinamerika), staatl. Amtsträger_innen, Wähler_innen ... Sie sorgen dafür, dass die Verhältnisse dort so bleiben, wie sie sind, damit der Nachschub an Ressourcen und arbeitsintensiv-produzierte Waren gesichert ist.
René Hartmann
Gast
Eine Zielsetzung wie die 0.7% ist absurd. Stattdessen müssten Erfolgskriterien wie Verringerung von Armut, Krankheiten usw. als Ziel gesetzt werden.
Den Mittelaufwand zum Maßstab zu machen, garantiert lediglich, dass weiterhin Milliarden ohne greifbares Ergebnis verpulvert werden.
FAXENDICKE
Gast
Sind doch ohnehin "Perlen vor die Säue". Im Grunde strotzen die meisten afrikanischen Staaten nur so vor Reichtum dank vielfältiger Bodenschätze, aber so wie überall bedienen sich bloß Banken, Versicherungen, große Unternehmen Beamte und Politiker, unten kommt doch eh nichts an. Ein Trend der sich bei uns ja auch mehr und mehr durchsetzt.