Kommentar Weissrussland: Blindheit mit blutigen Folgen

Nach den Repressionen gegen die Opposition in Weißrussland muss die EU sich fragen lassen, wie sie mit ihrem autokratischen Nachbarn verfahren will.

Dass auch dieses Jahr bei den Präsidentschaftswahlen in Weißrussland massiv gefälscht wurde, kann niemanden ernsthaft überraschen. Das überaus brutale Vorgehen gegen Regimekritiker aber war nicht zu erwarten. Nicht nur seine Mitkonkurrenten, die er dieses Mal so großzügig und so zahlreich hatte antreten lassen, ließ der weißrussische Diktator Alexander Lukaschenko krankenhausreif prügeln. Auch mit kritischen Journalisten und Menschenrechtlern rechneten seine Schergen ab.

Die Tatsache, dass mit dem Präsidentschaftskandidaten Wladimir Neklajew und der Reporterin Irina Chalip zwei prominente Lukaschenko-Gegner bis jetzt spurlos verschwunden sind, erinnert an die finsteren Zeiten Ende der 90er Jahre. Damals gehörten solche Verschleppungen zur gängigen Praxis, um lästige Oppositionelle mundtot zu machen.

Die Brutalität der Machthaber belehrt alle diejenigen eines Besseren, die in Weißrussland vorsichtige Anzeichen einer Liberalisierung ausgemacht hatten. Zweifellos: Anzeichen einer vorsichtigen Öffnung gab es einige - wie der Wahlkampf beweist, in dem die oppositionellen Kandidaten immerhin einen begrenzten Zugang zu den staatlichen Medien hatten. Doch diese Zugeständnisse waren eher einer kurzfristigen Verschlechterung der Beziehungen zu Russland geschuldet denn einem wirklichen Gesinnungswandel. Das hat Lukaschenko jetzt noch einmal eindeutig klargestellt.

Die EU muss sich nun fragen lassen, wie sie künftig mit ihrem autokratischen Nachbarn verfahren will. Eine stringente Strategie fehlt ja nicht nur für Weißrussland, sondern insgesamt für die östlichen Anrainerstaaten. Das Problem aussitzen oder nach einigen kritischen Worten wieder zur Tagesordnung übergehen, funktioniert nicht. Auch die Oststaaten weiterhin weitgehend zu ignorieren, hilft nicht. Sanktionen würden in erster Linie die Bevölkerung treffen.

Aber auch Instrumente, die die Demokratisierung vorantreiben sollen, wie die Östliche Partnerschaft, haben bis jetzt nichts erreicht. Jetzt bedarf es einer durchdachten Strategie, die die Förderung und Unterstützung der Zivilgesellschaft in den Mittelpunkt stellt. Ein wichtiger und schnell zu realisierender Schritt dahin wäre, für Weißrussen die längst überfälligen Erleichterungen bei der Visavergabe durchzusetzen. Dies wäre endlich mal ein konkretes Signal.

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Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.

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