Prozess gegen TV-Moderator: Angeklagter entkachelmannt?

Der Vergewaltigungsprozess gegen Jörg Kachelmann tritt in die entscheidende Phase. Zwischenbilanz eines erstaunlich pluralistischen Verfahrens nach acht Prozesstagen.

Der Moderator Jörg Kachelmann verlässt in einem Auto sitzend das Landgericht in Mannheim. Bild: dpa

Nun wird es ernst für den wegen Vergewaltigung angeklagten Wettermoderator Jörg Kachelmann. Nun sagt Sabine W. (Name geändert) aus, die Frau, die ihn Anfang Februar angezeigt hatte. Kachelmann bestreitet eine Straftat, er spricht von einem Racheakt, weil er der langjährigen Geliebten falsche Hoffnungen gemacht und seine zahlreiche anderen Affären verschwiegen hatte.

Der Prozess am Landgericht Mannheim ist bisher vor allem durch den häufigen Ausschluss der Öffentlichkeit geprägt. Auch die Aussage von Sabine W. wird hinter verschlossenen Türen stattfinden. Dies wird damit begründet, dass über intime persönliche Verhältnisse, auch Sexualpraktiken, gesprochen wird. Diese Diskretion ist in Vergewaltigungsprozessen üblich. Der misstrauische Vorwurf, hier finde ein "Geheimprozess" statt, taugt also nicht zur Skandalisierung des Verfahrens.

Es ist zwar etwas seltsam, dass manche Ex-Freundinnen Kachelmanns zuvor öffentlich mit Illustrierten plauderten und nun vor Gericht plötzlich ihre Intimsphäre wahren wollen. Das ist aber ihr gutes Recht. Vor Gericht müssen sie immerhin auch über Dinge aussagen, über die sie lieber schweigen würden.

Art und Inhalt der Aussage Sabine W.s wird im Wesentlichen wohl auch noch öffentlich zur Sprache kommen. Schließlich wird sie bei ihrem Auftritt vor Gericht gleich von mehreren psychologischen und psychiatrischen Sachverständigen begutachtet, die ihre Glaubwürdigkeit untersuchen sollen.

Obwohl es für Journalisten bisher also wenig zu berichten gibt, ist das Kachelmann-Verfahren nach wie vor ein Medien-Prozess. Von einer allgemeinen Medienhetze ist dabei aber nichts zu spüren. Im Gegenteil: Die Medienlandschaft hat sich - fast wie abgesprochen - pluralistisch aufgestellt.

Allen voran das Duell Gisela Friedrichsen (Spiegel Online), die eng mit der Verteidigung Kachelmanns zusammenarbeit, versus Alice Schwarzer (Bild), die ganz an der Seite des mutmaßlichen Opfers steht.

Eine Zuspitzung erfuhr der Prozess letzte Woche, als das Landgericht den von der Verteidigung vorgeschlagenen Sachverständigen Bernd Brinkmann wegen Besorgnis der Befangenheit ablehnte. Der renommierte Rechtsmediziner geht davon aus, dass sich Sabine W. die Blutergüsse selbst zugefügt hat, die sie als Folgen der Vergewaltigung bezeichnete. Bestätigt sah er sich durch ältere Fotos von Blutergüssen, die sich auf W.s Computer fanden.

Hier habe Sabine W. in Selbstversuchen geübt, so der Schluss des Rechtsmediziners. Das Gericht hielt Brinkmanns Expertise für einseitig und schloss ihn auf Antrag der Staatsanwaltschaft vom Verfahren aus. Der Experte habe nicht berücksichtigt, dass die Fotos auch im Zusammenhang mit einvernehmlichen SM-Praktiken entstanden sein können.

Der Ausschluss Brinkmanns hat zu Recht für großes Erstaunen gesorgt. Auch wenn ihn das Gericht für einseitig hält, hätte es ihn ja dennoch anhören und befragen können. Schließlich ist Brinkmann nicht der einzige rechtsmedizinische Sachverständige in diesem Verfahren.

Seltsam auch, dass das Landgericht bei einem Sachverständigen sehr schnell Befangenheit wittert, während es zu Prozessbeginn einen aussichtsreichen Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden Richter Michael Seidling schnell ablehnte. Seidling ist immerhin im gleichen Sportmilieu aktiv wie der Vater des mutmaßlichen Opfers.

Die Verteidigung hat das Gericht am Montag aufgefordert, den Ausschluss von Gerichtsmediziner Brinkmann nochmals zu überdenken. Insgeheim dürfte Kachelmanns Anwalt Reinhard Birkenstock über das Manöver der Richter aber eher froh sein. Es könnte ein wichtiger Baustein für eine mögliche Revision zum Bundesgerichtshof sein.

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